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Eckhard Jaschinski: Beiträge zu LITURGIE IM LEBEN in

„Christ in der Gegenwart“ (Oktober 2009 bis Dezember 2010)

 

1 Kirche im Duden 

Seit dem 20. Juli 2009 liegt der neue DUDEN – Die deutsche Rechtschreibung (Duden 1) in den Buchhandlungen auf dem Tisch. Mit der 25. Auflage ist es eine Jubiläumsausgabe, drei Jahre nach der vorigen 24. Auflage und 129 Jahre nach der bescheidenen Erstauflage. Mittlerweile ist die Zahl der Stichwörter auf 135.000 angewachsen. „Mit rund 5000 neu in Gebrauch gekommenen Wörtern sowie Entlehnungen aus fremden Sprachen – wie beispielsweise ‚armutsgefährdet’, ‚Feinstaubplakette’ und ‚twittern’ trägt das Wörterverzeichnis den jüngsten Entwicklungen im Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache angemessen Rechnung“ – so die Dudenredaktion im Vorwort. Knapp 100 Wörter wurden als veraltet gestrichen. Der Wortschatz spiegelt etwas von dem wider, was die Menschen umtreibt, was ihnen widerfährt oder was die Medien präsentieren. Das verdichtet sich dann am Jahresende in einem besonderen Wort oder Unwort. Nicht von ungefähr war das Wort des Jahres 2008 „Finanzkrise“, das Unwort „notleidende Banken“.

Wie ist nun in dieser Lebenswelt die Kirche mit ihrer Struktur, Lehre und Praxis vertreten? Kommt sie mit dem entsprechenden Vokabular gebührend zur Geltung oder entpuppt sie sich eher als eine Sonderwelt mit ihrer eigenen Insider-Begrifflichkeit? Immerhin signalisieren rund 90 neue Wörter aus dem Themenkreis Religion, Kirche, Liturgie eine bleibende Präsenz des christlichen Glaubens in der Gegenwart.

 

2  Heilige Männer 

Findet man die Namen von großen Persönlichkeiten des Christentums auch in einem weltanschaulich neutralen Buch wie dem Duden 1? Der Befund ist erstaunlich: Aus der Zeit der Kirche sind über hundert Heilige im weiteren Sinne aufgeführt. In puncto Geschlechter weist das Wörterbuch jedoch eine deutliche Schlagseite auf: 95 Prozent heilige Männer! Die wenigen Frauen sind Jeanne d’Arc, Kümmernis, Perpetua, Theresia (welche?), Ursula und Veronika. Keine Spur von Hildegard von Bingen, Elisabeth von Thüringen, Katharina von Siena oder Birgitta von Schweden!

Bei den Männern kann man beginnen mit Johannes dem Täufer, gefolgt von elf Aposteln und vier Evangelisten. Hieronymus und Irenäus werden als Kirchenväter bezeichnet. Weitere 28 sind Theologen und Gelehrte, davon nach 1800 nur fünf evangelische: Bodelschwingh, Bonhoeffer, Kierkegaard, Schleiermacher und Schweitzer; dieser „elsässische Missionsarzt“ war eben auch Theologe, Musikwissenschaftler und Organist, wollte aber nie Missionar sein.

Als Heiliger, Kleriker, Missionar oder Prediger werden im Duden dreißig Männer genannt. Von den vierzehn „Nothelfern“ sind namentlich nur „Pantaleon“ und „Zyriakus“ erwähnt. Etwas versteckt finden sich noch fünf Ordensgründer und acht Heilige, nach denen ein Tag benannt ist (z. B. Hubert). Einen Namen haben sich auch elf Reformatoren und Kirchengründer gemacht.

Heilige im engeren Sinne durchlaufen in der katholischen Kirche seit tausend Jahren einen juristischen Prozess, an dessen Ende eine „Heiligsprechung“ („Kanonisation“) oder „Seligsprechung“ stehen kann.

 

3  Tod

Der allgemeine Umgang mit dem Tod zeigt sich heute zwiespältig: Zum einen wird er verdrängt, vom schönen, jugendlichen, sportlichen Körper verneint; die Leiche wird möglichst rasch entsorgt. Zum andern löst der plötzliche, gewaltsame und vielfache Tod eine oft übertriebene Anteilnahme aus: Terroranschlag, Flugzugabsturz oder Amoklauf mit totaler Medienpräsenz. Demgegenüber werden die jährlichen Suizidraten sowie die Tausenden von Unfall- und Drogentoten rein statistisch abgehandelt.

Der Duden 1 bietet ein vielfältiges Vokabular rund um den Tod. Zählt man allein Begriffe mit den ersten Wortteilen Grab-, Sterbe-, Todes-, Toten-, Trauer-, kommt man schon auf rund 150 Wörter. Dazu gehören auch liturgische Bezeichnungen. Für die Hauptfeier finden sich etwa: „Abdankung“ (schweizerisch auch für Trauerfeier), „Exequien“ (katholische Totenmesse), „Requiem“ (katholische Kirche Totenmesse), „Sterbeamt“, „Totenamt“, „Trauergottesdienst“. Das „Anniversar(ium)“ (Jahrgedächtnis) gilt dem  persönlichen Totengedenken; allgemeine Gedenktage häufen sich im November: „Allerseelen“ (katholischer Gedächtnistag für die Verstorbenen), „Volkstrauertag“ [Gedenken der Toten der beiden Weltkriege, d. Verf.], „Ewigkeitssonntag“ (Totensonntag, letzter Sonntag des evangelischen Kirchenjahres).

So vermag der Duden als Spiegel der gegenwärtigen Lebenswelt gegen den extremen Umgang mit dem Tod zwischen Vergessenheit und Überpräsenz durchaus Kontrapunkte zu setzen.

„Requiescat in pace“ („er/sie ruhe in Frieden!“).

 

4  Jenseits

Was erwartet uns nach dem Tod? Mit Antworten auf diese spannende Frage befasst sich das theologische Fach „Eschatologie“ (Lehre vom Endschicksal des Menschen und der Welt) – so der Duden 1, der hierzu ein beachtliches Vokabular bereithält.

Gewöhnlich werden die möglichen „postmortalen“ Orte eingeteilt in „Himmel“, „Hölle“, „Limbus“ und „Fegefeuer“ („Purgatorium“). Alltagssprachlich werden Himmel und Hölle jedoch meist gebraucht, um etwas gesteigert auszudrücken, z. B. „himmeltraurig“ oder „Höllenangst“ – Neuwörter im Duden. Wer eine „Nahtoderfahrung“ gemacht hat, dem ist die Angst vor dem Tod genommen; denn er glaubt, einen Blick in ein strahlendes „Empyreum“ geworfen zu haben.

Am Ende der Zeit erwarten die Christen die „Parusie“ (Wiederkunft Christi beim jüngsten Gericht), wobei „Wiederkunft“ dem Duden als veraltend für Rückkehr gilt. Am „Jüngsten Tag“ gibt es dann das „Weltgericht“. Großkatastrophen wie Waldbrände, Wirbelsturm, Erdbeben und Tsunami verleiten dazu, von „Inferno“ (ital., „Hölle“) oder „Apokalypse“ zu sprechen. Solche Ereignisse heizen eine „Endzeit-“ oder „Weltuntergangsstimmung“ an. „Selbstmordattentäter“ hingegen träumen von der „ewigen Seligkeit“ im „Paradies“. Als Alternative zum einmaligen Ereignis Tod stellen sich manche eine „Reinkarnation“ (Wiederverkörperung von Verstorbenen) vor.

Christliche Gebete schließen oft mit dem Wort „Ewigkeit“, und zwar in einem positiven Sinne – aus der Zuversicht erwachsen, dass Gott der Herr aller Zeiten ist.

 

5  Besondere Tage

Zuweilen geht es Schlag auf Schlag: 1.12. – Welt-Aids-Tag; 2.12. – Internationaler Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk; 3.12. – Welttag der Behinderten; 5.12. Internationaler Tag des Entwicklungshelfers. Das Jahr ist übersät mit rund hundert solcher Gedenktage; viele wurden von der UNESCO ins Leben gerufen. Der Duden 1 hat jedoch nur zwei von diesen Tagen aufgenommen: „Internationaler Frauentag“ am 8. März und „Weltspartag“ am letzten Arbeitstag im Oktober.

Demgegenüber nennt das Wörterbuch weiterhin religiöse Tage, ungeachtet ihrer aktuellen Bedeutung: „Abstinenztag“, „Fasttag“, „Buß- und Bettag“ [Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr, d. Verf.] sowie der mehrtägige „Katholiken-“ oder „Kirchentag“. Aber auch die „Chaostage“ (mehrtägiges Treffen von Punks, oft mit Krawallen verbunden) werden erwähnt.

Hinzu kommen viele persönliche Tage, schöne Tage wie „Geburtstag“, „Namens-“, „Hochzeits-“, „Brücken-“, „Urlaubs-“, „Ferientag“ und auch pflichtmäßige Tage wie „Amts-“ („Sprech-“), „Fälligkeits-“, „Putz-“, „Stich-“, „Verfall(s)-“, „Zahltag“. Nicht zu vergessen der „Muttertag“ am zweiten Sonntag im Mai und der „Vatertag“ („Himmelfahrtstag“).

Anders als „Halloween“ (31.10.) hat sich der „Thanksgiving Day“ (Erntedanktag in den USA – 4. Donnerstag im November) hierzulande (noch) nicht verbreitet; dann wäre ja das Erntedankfest am ersten Oktobersonntag infrage gestellt. Die Frage bleibt: Wie viele besondere Tage sind menschlich verkraftbar? Scheinbar ist das 365-Tage-Jahr zu kurz.

 

6  Bewegliche Tage und Zeiten

Aufgrund des wechselnden Ostertermins (22.3.–25.4.) und der durchgehenden Sieben-Tage-Woche lassen sich im Kirchenjahr bewegliche und unbewegliche Tage unterscheiden.

Es beginnt traditionell mit dem Ersten Adventssonntag (27.11.–3.12.). Neuerdings gibt es im Duden 1 auch den „Advent(s)samstag“ – kirchlich ein unüblicher Ausdruck, verständlich aber vom (weltlichen) „Weihnachtsgeschäft“ her.

Hinter „Aschermittwoch“ steht in Klammern: „Mittwoch nach Fastnacht“. Wann aber ist „Fastnacht(sdienstag)“?

Mit dem „Palmsonntag“ beginnt die „Karwoche“ („Passionswoche“). Während der „Gründonnerstag“ ohne Erklärung genannt ist, erläutert der Duden zum „Karfreitag“: „Freitag vor Ostern“. Dann folgt der „Karsamstag“, der neuerdings gern „Ostersamstag“ (neuer Duden-Eintrag) genannt wird. So hieß vor dem Zweiten Vatikanum der Samstag nach Ostern. Bei der „Osterwoche“ werden zwei Möglichkeiten genannt: Woche nach Ostern; auch für Karwoche. – Dass der „Himmelfahrtstag“ Christus gilt und auf den vierzigsten Tag nach Ostern fällt, bleibt unklar.

Pfingsten („Pentekoste“) wird korrekt erläutert: „christlicher Feiertag am 50. Tag nach Ostern“. Ist die „Pfingstwoche“ die Zeit nach „Pfingstsonntag“ und „-montag“? Die alte Pfingstoktav wurde vor vierzig Jahren gestrichen. Am Sonntag nach Pfingsten ist das „Dreifaltigkeitsfest“ – für Protestanten üblicherweise „Trinitatis(fest)“. Neu im Duden ist das Adjektiv „dreifaltig“. Das „Fronleichnamsfest“ folgt vier Tage später. Das Herz-Jesu-Fest weitere acht Tage danach wird vom Duden verschwiegen.

 

7  Unbewegliche Tage

Weihnachten (25.12.) zeichnet sich durch die nächtliche „Christmette“ aus. Der neue Duden 1 enthält auch die „Christvesper“, den Abendgottesdienst am Heiligen Abend – nach evangelischer Tradition.

Das Fest am 6.1. heißt im Volksmund „Dreikönig/e“, „Dreikönigsfest“ oder „Dreikönigstag“ (neu im Duden). Beim Stichwort „Epiphanias“ oder „Epiphanienfest“ fehlt das Datum 6.1.

Für sieben Heiligentage gibt der Duden das Datum an: „Valentins-“ (14.2.), „Johannis-“ (24.6.), „Michaels-“ (29.9.), „Hubertus-“ (3.11.), „Martins-“ (11.11.), „Nikolaustag“ (6.12.), „Silvester“ (31.12.). Einige Heiligentage enden auch mit „-i(s)“ (z. B. „Michaeli/s“).

Für andere genannte (Fest)tage wäre das Datum zu ergänzen: „Pauli Bekehrung“ [25.1.], „Lichtmess“ [2.2.], „Petri Stuhlfeier“ [22.2.], „Mariä Verkündigung“ [25.3.], „Peter-und-Pauls-Tag“ [29.6.], „Jakobstag“ [25.7.], „Mariä-Himmelfahrts-Fest“ [15.8.], „Kreuzerhöhung“ [14.9.], „Halloween“ [31.10. = „Reformationstag“], „Allerheiligen“ [1.11.], „Allerseelen“ [2.11.], „Unbefleckte Empfängnis [Mariens]“ [8.12.], „Stephanstag“ [26.12.], „Unschuldige Kinder“ [28.12.]. Die alten Feste „Kreuzauffindung“ [3.5.] und „Petri Kettenfeier“ [1.8.] stehen nicht mehr im römischen Kalender.

Die volkstümlichen Namen wurden beibehalten, ungeachtet der liturgisch korrekten Begriffe: Darstellung des Herrn [2.2.], Verkündigung des Herrn [25.3.], Mariä Aufnahme in den Himmel [15.8.], Mariä Erwählung [als Kurzname – 8.12.]. Mariä Geburt [8.9.] und Heimsuchung [2.7.] bleiben ungenannt.

 

8  Licht

In der Kleinstadt St. Martinville, Louisiana, habe ich erlebt, wie am 13.12., dem Luzia-Tag, bei einem Festakt ein Garten voller Lichter zum Leuchten gebracht wurde. Das Licht fasziniert und dient daher vielfach als religiöse Metapher für Gottes heilsame Nähe zum Menschen. Jesus Christus wurde als „Lichtgestalt“ wahrgenommen. So sollten auch die Christen „Licht der Welt“ (Mt 5,14) sein.

Wie wichtig das Licht für das tägliche Leben ist, zeigt sich auch im Duden 1. Fast sechzig Hauptwörter beginnen mit „Licht(er)-“, ebenso viele enden mit „-licht“. Heute spielt natürlich das künstliche Licht eine wichtige Rolle. Allein zum Auto gehören „Abblendlicht“, „Blau-“, „Brems-“, „Fern-“, „Gegen-“, „Gelb-“, „Park-“, „Rück-“, „Stand-“, „Stopp-“, „Tagfahr-“ und „Warnlicht“ sowie „Lichthupe“ und „-maschine“. Das „Rotlicht(milieu)“ hat etwas „Zwielichtiges“ an sich, und ausgerechnet das „Kirchenlicht“ wird nur noch verneinend gebraucht für jemand, der nicht sehr klug ist.

Natürliche Lichter können transzendenzoffen sein, wie „Kerzen-“, „Grab-“, „Abend-“, „Dämmer-“, „Morgen-“, „Nacht-“, „Mond-“, „Polar-“, „Sonnen-“ und „Sternenlicht“. Ausdrücklich religiös sind „Lichtmess“, „Lichterfest“ und „Lichterbaum“. Zum Hell-Dunkel-Wechsel am Abend kommen die Christen immer wieder zum Lichtritus (Lucernar – beides nicht im Duden) zusammen. Sie besingen Christus als „Morgenstern der finsteren Nacht“. Überhaupt ist „Licht“ ein wichtiges Kirchenliedmotiv, z. B. „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht ... wie ein Stern in der Dunkelheit“.

 

9  Weihnachtslied

Hätte jemand keine Ahnung vom Sinn des Weihnachtsfestes, könnte ihm (ihr) dann der Duden 1 weiterhelfen? Das Wort „Weihnacht(en)“ erklärt ja zunächst nicht viel: eine geweihte, weihevolle Nacht – wozu und weshalb?

34 mit „Weihnachts-“ zusammengesetzte Wörter beschreiben zwar die Symbolik rund um diese Nacht, z. B. „Weihnachtsbaum“, „-engel“, „-gans“, „-gebäck“, „-kaktus“, „-krippe“, „-mann“, „-stern“. Doch diese Begriffe erschließen nicht unmittelbar den Festinhalt.

Man wird dann auf verwandte Wörter verwiesen, die mit „Christ-“ anfangen wie „Christbaum“ oder „Christfest“. Aber welches Christusereignis wird da gefeiert? Vielleicht ließe sich über das eine oder andere „Weihnachtslied“ etwas finden. Dem Sucher fällt ein häufiger gehörtes Lied ein: „in dulci jubilo“. Und siehe da: der Duden enthält sogar diesen Titel, schreibt aber zur Erläuterung nur: <lat., „in süßem Jubel“> (übertragen für herrlich und in Freuden). – Deutlicher erklärt wird der Begriff „Quempas(lied)“: ein weihnachtlicher Wechselgesang.

Doch erst ein Eintrag im neuen Duden bringt auf die richtige Spur: „Noël“ (französisches Weihnachtslied). – Aha, da wurde also jemand „geboren“. Weil es um Jesus Christus ging, muss es das „Jesuskind“ sein. Eine besondere Gestalt, die Mensch wurde, nahm Fleisch an. Dafür gibt es den Fachausdruck „Inkarnation“, wozu der Duden erläutert: <“Fleischwerdung“> (Verkörperung; Religion Menschwerdung [Christi]).

„Heureka – ich habs gefunden!“ Die detektivische Arbeit im Duden hat sich doch gelohnt.

 

10  Anno Domini

Als ich einen Tag im Laufe meines 55. Lebensjahrs als 20.000. Lebenstag errechnet hatte, reagierten andere darauf nur mit Achselzucken. Stärker als hohe runde Zahlen im Dezimalsystem wird unser Leben eben vom Jahr bestimmt, dem Zeitabschnitt, in dem der Planet Erde einmal um die Sonne kreist.

Die Fülle von Wortkombinationen im Duden 1 zeigt, wie stark der Rhythmus dieser 365-Tage-Phase praktisch alle Lebensbereiche durchdringt. Mehr als 60 Wörter enden mit „Jahr-“, angefangen vom „Altersjahr“ bis zum „Wirtschaftsjahr“; davon sind Neuwörter: „Gedenk-“, „Kriegs-“, „Nachkriegs-“, „Rekord-“, „Vorschuljahr“ und „Nullerjahre“. Knapp 50 Hauptwörter beginnen mit „Jahr-“ oder „Jahres-“. Auch hier sind wieder neue Wörter hinzugekommen: „Jahresbilanz“, „-etat“, „-gehalt“, „-rückblick“, „-verbrauch“ und „-vertrag“.

Neben der überwiegenden Zahl solcher Wörter mit weltlicher Bedeutung gibt es auch einige religiös geprägte Begriffe. Dazu gehört das „Kirchenjahr“ und „Noviziatjahr“ sowie vom Alten Testament her das „Halljahr“ oder „Jubeljahr“. Eine sakral und profan gemischte Bedeutung haben etwa „Neujahr“, „Sabbat-“, „Todes-“ und „Trauerjahr“. Wie der „Jahresbeginn“ so spielt auch das „Jahresende“ mit einer „Jahresbilanz“ oder einem „Jahresrückblick“ eine Rolle im Glaubensleben.

Schließlich hat der Duden die alte Zählweise „Anno Domini“ bewahrt, mit der Erläuterung: „im Jahre des Herrn; Abkürzung A. D.“. Denn dem Heiligen gehört der Tag (dies sancti) und Christus gehört das Jahr (annus domini).

 

11  Brauchtum

Bräuche sind volkstümliche symbolische Handlungen, die teilweise aus vorchristlicher Zeit stammen und sich mit christlichem Gedankengut gemischt haben. Die bleibende Beliebtheit und Pflege von Volksbräuchen spiegelt sich auch im vielfältigen Vokabular des Duden 1 wider. Besonders betrifft das die geprägte Zeit des Kirchenjahrs um Weihnachten.

Was die offizielle Liturgie eher nüchtern vollzieht, suchen seit dem Mittelalter die „Mysterienspiele“ dramatisch darzustellen: die Geschehnisse um Geburt, Leiden und Wiederkunft Christi. Wörter mit der Endung „-spiel“ in diesem Sinne sind etwa: „Krippen-“, „Weihnachts-“, „Dreikönigs-“, „Passions-“, „Osterspiel“.

Die Zeitsymbole „Adventskranz“ und „-kalender“ werden – idealerweise – abgelöst vom Lebenssymbol „Christ-“, „Lichter-“, „Tannen-“ oder „Weihnachtsbaum“ und der „Weihnachtskrippe“. Die „Zwölf Nächte“, „Zwölften“ oder „Rau(ch)nächte“ zwischen dem 25.12. und 6.1. wurzeln in altem Geisterglauben. Dann ziehen „Sternsinger(innen)“, als die „Drei Könige“ verkleidete Kinder, von Haus zu Haus und sammeln für notleidende Kinder in aller Welt.

Das Brauchtum um Ostern drückt sich in den Begriffen „Osterei“, „-feuer“, „-hase“, „-kerze“ und „-wasser“ aus. Am Dienstag nach Pfingsten findet in Luxemburg die „Echternacher Springprozession“ statt, die auf fränkische Kulttänze zurückgeht und heute ein Bittgang zum Grab des heiligen Willibrord ist. Anfang Oktober wird das „Erntedankfest“ gefeiert und einen Monat später veranstalten Schulen den „Martinsumzug“.

 

12  Heilig

Was ist dem Menschen heute „heilig“? Heilig im Sinne von besonders wertvoll, unantastbar können Dinge, Geschehnisse oder Personen sein. (1) Vielen ist das Auto heilig. Das Londoner Wembley-Stadion beansprucht sogar, einen „heiligen Rasen“ zu besitzen. (2) „Das Spiel ist dir heilig – St. Jakob erwartet dich“ – so die Plakatanzeige zu einem Schweizer Erstligaspiel im Baseler St.-Jakob-Stadion. (3) „Ich kritisiere sie als Spieler, als Menschen sind sie mir heilig“, sagte einmal der Fußballtrainer Otto Rehagel.

Der Duden 1 widmet dem Adjektiv „heilig“ einen eigenen Infokasten und führt darin nicht weniger als dreißig Beispiele auf, angefangen von „in heiligem Zorn“ über „heilige Einfalt!“, „der Heilige Christ“, „der Heilige Rock“ bis zum „Heiligen oder heiligen Krieg“.

In den Texten einer normalen „heiligen Messe“ kommt „heilig“ bis zu zehnmal vor: im Gloria, Tagesgebet und Hochgebet – besonders eindringlich im Dreimal-heilig des Sanctus. Es ist also fast ausschließlich auf eine der drei göttlichen Personen bezogen, dabei groß geschrieben als Namensbestandteil des Geistes.

Wenn Paulus in seinen Briefen die Adressaten „Heilige“ nennt, so muss das kein Gegensatz zum Sprichwort sein: „Es sind nicht alle Heilige, die zur Kirche gehen“. Wer getauft ist und zum Leib Christi, zur Kirche Gottes gehört, ist prinzipiell auch heilig. Der damit verbundene Anspruch äußert sich etwa in einem der feierlichen Schlusssegen: „Gott, unser Vater, segne euch ..., damit ihr rein und heilig lebt vor seinem Angesicht.“

 

13  Interkonfessionell und interreligiös

Schon seit vielen Jahrzehnten kommen Christen der verschiedenen Konfessionen zu gemeinsamen („ökumenischen“) Gottesdiensten zusammen. Seit etwa fünfundzwanzig Jahren geschieht das etwa in der Form des Taufgedächtnisses.

Einen Sonderfall stellt der Gottesdienst anlässlich einer Katastrophe oder des Todes einer prominenten Persönlichkeit dar. Hier arbeiten Kirche und Staat zusammen. Die Feiern werden durchweg „interkon-fessionell“, (noch) selten „interreligiös“ (Neuwort im Duden 1) organisiert, also mit Beteiligung etwa von Juden oder Muslimen. Die Feiergestalt variiert, wobei bestimmte rituelle Repertoires stets verwendet werden: Bibeltexte, Instrumentalmusik und Segensgesten. Solche Feiern haben ausdrücklich öffentlichen Charakter. Sie können in Kirchenräumen, auf öffentlichen Plätzen oder auch in Sportstadien stattfinden. Prinzipiell gibt es keine Teilnahmebedingungen. Die Feier soll helfen, Trauer auszudrücken und zu bewältigen, wie auch den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Solch ein Gottesdienst wird von manchen konfessionell-religiös, von anderen eher zivilreligiös gedeutet. Die gottesdienstlichen Akteure variieren und werden nicht allein nach kirchlich-theologischen Vorgaben bestimmt.

Diese Feiern besitzen auch eine starke mediale Präsenz, sodass unterschiedliche Teilnahmeformen unmittelbar oder via Medien möglich sind. Wenn in der Feier Gott als Gegenüber des Menschen angesprochen wird, kann man auch von „Liturgie“ sprechen, ansonsten eher allgemein von einer religiösen Feier.

 

14  Sonntagsgottesdienst

„Du denkst die ganze Woche nur an das Eine – Das Sonntagsspiel.“ So stand es an den Litfaßsäulen und Plakatwänden in Basel deutlich zu lesen. Damit wurde ein Spitzenspiel der ersten Schweizer Fußballliga zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich angekündigt. Die apodiktische Art der Aussage mag zum Widerspruch reizen: Ich denke doch nicht die ganze Woche...

Für nicht wenige Christen gibt es ein anderes denkwürdiges Sonntagsereignis: die Versammlung der Gemeinde zum Gottesdienst. Trotz rückläufiger Besucherzahlen zieht die Sonntagsmesse immer noch ein „Millionenpublikum“ an. Dem trägt auch der neue Duden 1 Rechnung mit einigen neu aufgenommenen Stichwörtern: Der „Sonntagsgottesdienst“ kann seit dem Zweiten Vatikanum auch als „(Vor)abendmesse“ gefeiert werden. Gelegentlich findet bei Großveranstaltungen wie Katholikentag, Kirchentag oder Weltjugendtag ein „Hauptgottesdienst“ statt. Ein Großereignis in der Zeit nach Ostern ist für jede Gemeinde die „Erstkommunionfeier“.

Bei fehlendem Priester ist die Alternative oft ein „Wortgottesdienst“ (kein Neuwort). Der inzwischen übliche Ausdruck „Wort-Gottes-Feier“ – im Unterschied zum Wortgottesdienst in der Messe – steht (noch) nicht im Wörterbuch. Sinnvoll wäre auch etwa die Bezeichnung „Sonntagsgebet“. Der Duden hat aber nur das dem Islam zugeordnete „Freitagsgebet“ neu aufgenommen, nicht jedoch das Montagsgebet vor der „Montagsdemonstration“ in Leipzig 1989. Damals dachten die Menschen dort gewiss die ganze Woche nur an das Eine...

 

15  Gruß

Wenn einander bekannte Menschen sich begegnen, tun sie das gewöhnlich mit einem Zeichen. Die Mimik, eine Geste mit der Hand, ein entsprechendes Wort drücken Respekt und Wohlwollen aus. Im alltäglichen Umgang kann das eher routinemäßig oberflächlich sein: „hallo!“, „hallöchen!“ oder „hallihallo!“, bei Jüngeren auch „hi!“ oder „hey!“.

Geografisch gesehen scheint es ein religiöses Nord-Süd-Gefälle zu geben. Während es im hohen Norden „moin, moin!“ heißt, sagt man in südlichen Gegenden „Grüß Gott“, „grüezi (Gott)“ oder „pfiat (di)“ („behüt dich Gott!“) – neu im Duden.

Neben solchen weltlichen Grußformeln hat der Duden 1 auch einige liturgische „Salutationen“ bewahrt, auch wenn sie heute seltener gebraucht werden: „Dominus vobiscum!“ („Der Herr sei mit euch!“) und „Pax vobiscum!“ („Friede [sei] mit euch!“) sowie „salve!“ und „ave!“ („sei gegrüßt!“).

Auch bekannte Grußformeln anderer Religionen stehen im Duden wie das hebräische „Schalom!“ („Friede“) oder das arabische „Salam alaikum!“ („Heil, Friede mit euch!“).

Beim Abschied ist das Vokabular im Duden – wie wohl auch im Leben – etwas sparsamer, aber doch vielsprachig. Statt „auf Wiedersehen!“ heißt es vertrauter „tschüs(s)“, bei den Jüngeren gern italienisch „ciao“ („tschau“) oder englisch „goodbye!“ oder „bye(-bye)!“. Bayern und Österreicher bevorzugen „servus!“ („[Ihr] Diener“), während beim schweizerischen „adieu!“ („ade!“) kaum noch bewusst ist, dass es wörtlich „zu Gott, Gott befohlen“ bedeutet – was der Duden verschweigt. „Vale!“ – „leb wohl!“

 

16  Introitus

Für die Zeit des Osterfestkreises bietet der Duden 1 eine ganze Reihe von lateinischen Wörtern, die er auch übersetzt und liturgisch zuordnet. Dass es sich durchweg um das Anfangswort der Antifon zum Einzugsgesang („Introitus“) des Sonntagsgottesdienstes handelt, wird nicht erklärt. Der Duden bedient sich der Namen, die im evangelischen Raum noch heute üblich sind, wie auch katholischerseits vor dem Zweiten Vatikanum – beginnend mit dem letzten Sonntag vor der Passionszeit (Fastenzeit): „Estomihi“ – „Invokavit“ – „Reminiszere“ – „Okuli“ – „Lätare“ – „Judika“. Die Namen für Palmsonntag („Palmarum“) und Ostern fehlen. Es geht weiter mit den Sonntagen nach Ostern: „Quasimodogeniti“ – „Misericordias Domini“ – „Jubilate“ – „Kantate“ – „Rogate“ (hier nach den Bitt-Tagen vor Christi Himmelfahrt benannt) – „Exaudi“. Für den folgenden Pfingstsonntag fehlt ebenfalls der Introitus.

Die Zählung der Sonntage vor Ostern – wie im Duden – ist heute in keiner Konfession mehr gebräuchlich. Die Ostersonntage werden von den Protestanten „erster Sonntag nach Ostern“ usw. gezählt, von den Katholiken „zweiter Sonntag in der Osterzeit“ usw. Die alte Vorfastenzeit kannte die drei Sonntage „Septuagesima“ – „Sexagesima“ – „Quinquagesima“. Während im Zuge der nachkonziliaren Kalenderreform die katholische Kirche diese Zeit abgeschafft hat, hält das neue evangelische Gottesdienstbuch der Sache nach daran fest.

So beachtlich die Präsenz dieser Introitus-Namen im Duden auch ist – hier besteht noch (Er)klärungsbedarf!

 

17  Segnung

Der Segen als Handlung an Personen und Dingen ist bei den Christen nach wie vor gefragt. Diese Tatsache scheint der Duden 1 nur bedingt zu bestätigen.

In der neuen Auflage findet sich beispielsweise erstmals der „Haussegen“. Der Duden – Deutsches Universalwörterbuch (6. Auflage 2006) kennt noch seine frühere Bedeutung: Segensspruch über der Tür eines Hauses, an der Wand eines Zimmers. – Duden 1 hingegen fügt dem Stichwort gleich die Redewendung an: Bei jemandem hängt der Haussegen schief (umgangssprachlich scherzhaft für bei jemand hat es zu Hause Streit gegeben). – Die liturgische Feier zur Segnung einer neuen Wohnung nennt man ‚Haussegnung’, was aber nicht im Duden steht.

Als Oberbegriff für Feiern mit Segenshandlungen gilt das Wort „Sakramentalien“. Hier bietet das Wörterbuch eine solide Erklärung: katholische Kirche sakramentenähnliche Zeichen und Handlungen, z. B. Wasserweihe; auch Bezeichnung für geweihte Dinge, z. B. Weihwasser. – Doch ‚Wasserweihe’ ist keinen eigenen Eintrag wert. Nur vier Wörter mit „-weih(e)“ enthält der Duden: „Fahnenweihe“, „Jugendweihe“, „Kirchweih“ und „Priesterweihe“. Bei Wörtern mit „-segen“ oder „-segnung“ sieht es ebenso dürftig aus: „Geld-“, „Ernte-“ und „Tischsegen“ sowie „Aussegnung“ und „Einsegnung“.

Freilich finden sich im Wörterbuch noch zwei Fachbegriffe mit entsprechender Erklärung: „Benediktion“: Segnung, katholisch kirchliche Weihe; „Konsekration“: liturgische Weihe einer Person oder Sache. Auch das Aschenkreuz (nicht im Duden) ist eine Segensgeste, verbunden mit einer Mahnung.

 

18  Teufel und Dämonen

In einer Radiosendung, die an die Rede Joseph Goebbels’ im Sportpalast am 18.2.1943 erinnerte, wurden Worte des Propagandaministers und des Mephistopheles aus Goethes ‚Faust’ nebeneinander gestellt und von einem Sprecher kommentiert.

Sprecher: „Der Teufel ist ein Lügner.“ Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets verneint.“ Goebbels: „An der Sicherheit unseres Sieges gibt es keinen Zweifel.“ – Sprecher: „Der Teufel ist ein Nihilist.“ Mephisto: „Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.“ Goebbels: „Terror aber wird nicht mit geistigen Argumenten, sondern nur mit Gegenterror gebrochen.“ – Sprecher: „Des Teufels Stimme kommt aus dem Radio. Sie wird ein ganzes Volk in die Hölle begleiten.“ Goebbels: „Ich frage euch: Vertraut ihr dem Führer?“ Mephisto: „So ist denn alles, was ihr die Sünde, Zerstörung, kurz: das Böse nennt, mein eigentliches Element.“

So kann das Böse sich heute verkörpern – anders als die alten Bilder vom hässlichen Unwesen. Die Typen eines bösen Geistes werden allgemein „Dä-mon“, „Satan“ und „Teufel“ genannt. Mit ihren Ableitungen sind sie im Duden 1 reichlich dokumentiert, z. B. „Satanskerl“ und „-weib“, „Feuer-“ und „Putzteufel“, „Teufelsbraten“, „-brut“, „-werk“ und „-zeug“.

Die Erklärung beim Begriff „Exorzismus“ – Beschwörung böser Geister („Teufelsaustreibung“) – übersieht, dass die Liturgie den ‚Kleinen Exorzismus’ kennt, ein Gebet zur Befreiung vom Bösen bei der Taufe, wie auch den ‚Großen Exorzismus’, ein 1999 erneuerter Ritus für einen Menschen, der sich vom Bösen bedroht fühlt.

 

19  Christusnamen

 „Was sagen die Menschen, wer ich sei?“ soll Jesus einmal seine Jünger gefragt haben. Die rasche Antwort damals reichte nicht. Auch die Verklärungsszene war nur eine Momentaufnahme. Mit zahllosen Titeln wird immer wieder versucht, die Einzigartigkeit dieses Mannes auszudrücken. Viele Namen enthält auch der Duden 1. Man könnte damit eine stattliche Litanei zusammenstellen.

Neben den eindeutigen Namen „Jesus“ („Gott hilft“), „Jesuskind“, „Christus“ und „Messias“ stehen solche, die vorwiegend auf Jesus Christus bezogen sind, wie die Hinweise in Klammern zeigen: „Ecce-Homo“ („Sehet, welch ein Mensch!“ – Darstellung des dornengekrönten Christus), „Schmerzensmann“, „Gottmensch“, „Guter Hirte“, „Heiland“, „Menschensohn“, „Mittler“, „Nazaräer“, „Nazarener“, „Salvator“. Weitere Titel bringt man leicht – auch ohne Hinweis – mit Christus in Verbindung: „Erlöser“, „Gesalbter“, „Gekreuzigter“, „Gottessohn“, „Hohepriester“, „Immanuel“, „Opferlamm“, „Prophet“, „Rabbi“. Andere Begriffe, die zunächst keine Person ausdrücken, sind von der Tradition auf Christus bezogen worden: „Abglanz“ (des Vaters), „Logos“, „Morgenstern“, „Weinstock“, „Weisheit“, „Weizenkorn“.

Die häufige Anrede „Herr“ wurde zuerst griechisch formuliert und ist bewahrt im „Kyrie eleison“ („Herr, erbarme dich“). Eine der sieben adventlichen O-Antifonen beginnt mit dem Gottesnamen „Adonai“ („mein Herr“), womit indirekt Christus gemeint ist. Das Adjektiv „eingeboren“ klingt religiös, wie auch der Duden vermerkt: „der eingeborene (einzige) Sohn [Gottes]“. – Die Litanei ließe sich (endlos) fortsetzen.

 

20  Sünder

„Es ist so schön, getauft zu sein; dann tut man keine Sünden. Man taucht nur in das Taufbecken rein und tut Erleuchtung finden.“ So besingt satirisch-kritisch die Gruppe Torfrock den Wikinger Rollo, der, von Bonifatius getauft, ein sündenfreies Leben zu führen versucht. Der Begriff „Sünder“ als zweiter Hauptwortteil kommt im neuen Duden 1 neunmal vor. Die „-sünderin“ fehlt nur beim „Rotsünder“, der vom Schiedsrichter des Feldes verwiesen wird. Vier Gruppen solcher „-sünder“ betreffen den Straßenverkehr – allgemein: „Verkehrs-“, und spezieller: „Alkohol-“, „Park-“ und „Temposünder(in)“. In Österreich – neu im Duden – kennt man den/die „Pickerlsünder(in)“: jemand, dessen Fahrzeug nicht mit der erforderlichen Vignette versehen ist. – „Klima-“ und „Umweltsünder(in)“ zeigen ökologisches Fehlverhalten an. Neu im Wörterbuch sind „Dopingsünder(in)“, die mit unerlaubten Mitteln ihre sportliche Leistung steigern. Der Duden – Deutsches Universalwörterbuch (6/2006) kennt auch noch den „Steuersünder(in)“: jemand, der seiner Steuerpflicht nicht oder nur zum Teil nachkommt.

Die Messfeier stellt das Wort „Sünde“ in andere Zusammenhänge: in der Vergebungsbitte: „Er lasse uns die Sünden nach“, im Spruch nach dem Evangelium: „Herr, durch dein Evangelium nimm hinweg unsere Sünden“, im Vaterunser-Einschub: „Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde“, im Friedensgebet: „Schaue nicht auf unsere Sünden“, beim Brotbrechen: „Du nimmst hinweg die Sünde der Welt.“ – Könnten die Vergehen der oben genannten Sünder(innen) beim „Sündenbekenntnis“ auch eine so ernsthafte Rolle spielen oder klingen sie doch eher verharmlosend?

 

21  Gott

„Gott existiert wahrscheinlich nicht. Genieße das Leben!“ So kann man es neuerdings in einigen Ländern auf Bussen lesen. Was für einen Gott meinen die dahinter stehenden Atheisten? Dass man sich Gott sehr verschieden vorstellen kann, belegt mit einem reichen Vokabular auch der Duden 1. Er enthält zehn solcher Wesen, die mit „-gott“ enden: „Abgott“, „Fluss-“, „Halb-“, „Herr-“, „Hühner-“, „Liebes-“, „Meer-“, „Sonnen-“, „Toten-“, „Wettergott“. Nicht dabei ist der oft beschworene Fußballgott, der auf dem Spielfeld für Gerechtigkeit sorgen soll.

Da das „Gottwesen“ dem Menschen im Grunde fremd bleibt, neigt dieser gerne zum scherzhaften Reden: „Wenn der ‚Wettergott’ mitspielt, können wir das Fest im Garten feiern.“ Als Halbgötter in Weiß gelten die Chefärzte im Krankenhaus. „Götterspeise“ und „-trank“ sind einfach köstlich. Für manche Frau ist der Ehemann ein „Göttergatte“. Leicht rutscht das Wort „Gott“ heraus, wenn man überrascht wird oder sich ärgert. Auf der anderen Seite steht das Übertriebene und Einseitige, die „Bigotterie“ oder „Abgötterei“.

Die Kunst einer gesunden Gottesbeziehung besteht wohl im Aushalten einer Spannung zwischen dem barmherzigen Vater und dem ganz Anderen. Der/die „Gottsucher(in)“ legt keinen „Gottesbeweis“ vor, sieht sich aber auch nicht als „Gottesleugner(in)“, sondern strebt intensiv danach, im Leben Gott zu finden, ihm nahe zu kommen – mit „Gottesfurcht“, aber ohne Angst vor dem „Gottesgericht“.

Der „Gottesdienst“ mag auch als Einübung dazu dienen, das Leben „gottgefällig“ zu gestalten.

 

22  Opfer

Konservative Kreise bevorzugen die lateinische Messe im alten Ritus, weil sie darin auch das Opfer bewahrt sehen. Der Duden 1 kennt die entsprechenden Begriffe „Sakrifizium“ und „Messopfer“. Gleichwohl zeigt das Wörterbuch, dass im allgemeinen Sprachgebrauch „Opfer“ Verschiedenes bedeuten kann. Zwanzig Wörter beginnen mit „Opfer-“, etwa gleichviele enden mit „-opfer“.

Im ersten Fall lassen sich Gruppierungen bilden: Eine aktive Haltung drücken aus: „Opferbereitschaft“, „-freudigkeit“, „-gang“, „-geist“, „-sinn“, „-wille“, „-willigkeit“. Auf der passiven Seite stehen „Opferlamm“ und „-tier“. Den Gegenstand bezeichnen „Opfergabe“, „-geld“, „-pfennig“, „-schale“, „-stock“.

Im zweiten Fall handelt es sich einmal um unschuldig zu Schaden Gekommene: „Erdbeben-“, „Flut-“, „Kriegs-“, „Pogrom-“, „Todes-“, „Unfall-“, „Vergewaltigungs-“, „Verkehrs-“, „Zivilopfer“, „Opfer des Faschismus (Abk. OdF)“. Andere Opfer sind religionsgeschichtlich einzuordnen: „Menschen-“, „Rauch-“, „Schlacht-“, „Speise-“, „Toten-“ und „Trankopfer“. Das „Bauernopfer“ kann beim Schachspiel Vorteile bringen und bedeutet so im übertragenen Sinn das Opfer, das dem Erhalt der eigenen Position dient.

Jesus von Nazareth wurde Opfer brutaler Praxis einer Besatzungsmacht und nahm zugleich freiwillig den „Opfertod“ auf sich. Auf der Suche nach seinem Sinn fanden frühchristliche Theologen im „Sühneopfer“ ein passendes Deutungsmuster. Die Messfeier erinnert an den (un)heilvollen Zusammenhang von Machtwillkür und Wehrlosigkeit. Insofern ist sie auch Opfergedenken.

 

23  Kreuz

Kreuz kommt in allen möglichen Lebensbereichen vor – so der Befund im Duden 1. Mit „Kreuz(es)-“ beginnen 35 Wörter, mit „-kreuz“ enden rund 25. Einen religiösen Inhalt hat jedoch nur die Minderzahl. Freilich haben auch neutral verwendete Kreuze einen religiösen Hintergrund, deutlich beim Verkehrszeichen „Andreaskreuz“, ferner beim „Verdienst-“, „Komtur-“ oder „Roten Kreuz“. Nicht von ungefähr stellt man auf die Bergspitze ein „Gipfelkreuz“.

Das christliche „Kreuz“ hat stets mit dem Tod Jesu zu tun. Es ist enthalten in Wörtern wie: „Kreuzauffindung“ und „-erhöhung“ (beides katholische Feste), „Kreuz(es)weg“, „Kreuzestod“, „Kreuzabnahme“ „Kreuz(es)zeichen“ und „Kreuzgang“ sowie „Malteser-“, „Sterbe-“ und „Wegkreuz“.

Ein „Kruzifix“ stellt den gekreuzigten Christus plastisch dar und schmückt den „Herrgottswinkel“. Das „Brustkreuz“ katholischer geistlicher Würdenträger wird unter dem Stichwort „Pektorale“ erklärt. „Kreuzritter“ haben auf ihren „Kreuzzügen“ das Kreuz Christi in Misskredit gebracht. Das ursprünglich heilbringende „Hakenkreuz“ ist zum arischen Symbol der Nationalsozialisten verkommen.

Mit der Geste des Kreuzzeichens werden Dinge oder Personen gesegnet oder man vollzieht es an sich selbst, wobei Romano Guardini mahnt: „Du machst das Zeichen des Kreuzes, machst es recht. Kein solch verkrüppeltes, hastiges, bei dem man nicht weiß, was es bedeuten soll. Nein, ein rechtes Kreuzzeichen, langsam, groß, von der Stirn zur Brust, von einer Schulter zur andern. Fühlst du, wie es dich ganz umfasst?“

 

24  Feier

Was an Ostern gefeiert wird, ist ein „Mysterium“, ein „unergründliches Geheimnis (religiöser Art)“ – so der Duden 1. Das Geheimnis lässt sich teilweise auch ergründen; denn es geht darum, dass Jesu Kreuzestod und Auferweckung als heilbringend für die Menschen erkannt wurden. So hat das Zweite Vatikanum das ‚Pascha-Mysterium’ nicht nur beim heiligen „Triduum“ hervorgehoben, sondern auch als Leitmotiv für jede liturgische Feier bestimmt. Von daher versteht sich der einheitliche Titel der erneuerten Ritualbücher: „Feier der ...“ (z. B. Trauung).

Im Duden finden sich rund 35 Wörter, die mit „-feier“ enden. Man könnte dabei drei Kategorien unterscheiden: 1. weltliche, 2. religiöse und 3. inhaltlich offene Feiern. Zur Kategorie 1 gehören etwa „Mai-“, „Sieges-“, „Silvester-“, „Sonn(en)wendfeier“ und – neu im Duden – „Augustfeier“ (Feier am Abend des Schweizer Nationalfeiertags 1.8.). Ausdrücklich katholisch sind „Stuhlfeier“ (Fest Cathedra Petri 22.2.) und „Primizfeier“, die erste feierliche Messe des neu geweihten Priesters. Vorwiegend religiös erscheinen: „Begräbnis-“, „Toten-“ oder „Trauerfeier“ und „Weihnachtsfeier“.

Bei den Feiern runder Jahreszahlen im persönlichen wie öffentlichen Bereich („Jubelfeier“ oder „Zentenarfeier“) besteht zumindest die Chance, an die religiöse Tiefendimension der Zeit zu erinnern. Dabei könnte auch das Ostergeheimnis eine Rolle spielen, heißt es doch beim Ritus um die Osterkerze: „Christus, gestern und heute – Anfang und Ende – Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit...“

 

25  Symbolhandlungen

Der „Weiße Sonntag“ hat seinen Namen von der frühchristlichen Praxis, nach der die Neugetauften von der Osternacht bis zum folgenden Sonntag weiße Kleider trugen. Solche nonverbale Symbolhandlungen durchziehen alle liturgischen Feiern; sie sagen oft mehr aus, als Worte es vermögen. Die entsprechenden Begriffe sind auch im Duden 1 gut belegt.

Die Hand als ‚Werkzeug und Spiegel der Seele’ spielt dabei eine besondere Rolle. Das „Handauflegen“ kommt in allen Sakramentenfeiern vor, teils mit Begleitworten, teils wortlos. Zur Gabenbereitung der Messfeier gehört der kleine Ritus des „Lavabo“ (Handwaschung des Priesters) als Ausdruck der inneren Reinigung. Nach dem Vaterunser kann zum „Friedenszeichen“ aufgefordert werden. Gewöhnlich geschieht das mit „Handschlag“ („Händedruck“), aber auch intimere Formen wie „Umarmung“ und „Kuss“ werden praktiziert. Seit dem Zweiten Vatikanum ist wieder die „Handkommunion“ möglich, neben der traditionellen „Mundkommunion“. Außerdem vollzieht die rechte Hand das „Bekreuz(ig)en“: zu Beginn der Feier, vor dem Evangelium und beim Schluss-Segen.

Auch mit dem gesamten Körper werden über geeignete Haltung und Bewegung symbolische Signale ausgesandt. Mit „Verneigung“ und „Kniebeuge“ wird der verborgen anwesende Christus geehrt. Das „Niederknien“ macht den Menschen klein vor Gott und unterstützt sein Gebet; noch intensiver geschieht dies in der Demutsgeste der „Prostration“ (kath. Kirche Fußfall).

Mit der „Fußwaschung“ am Gründonnerstag wird an den Dienst-Aspekt des Christseins erinnert.

 

26  Papst

Im Hochgebet jeder Messfeier wird das Oberhaupt der Kirche (fürbittend) mit Titel und Namen genannt. Auch der neue Duden 1 würdigt den gegenwärtigen „Papst“ namentlich unter dem Stichwort Benedikt: „Papst Benedikt XVI.; die Botschaft [Papst] Benedikts XVI.“ Das Wörterbuch weiß noch weitere Titel zu nennen: „Heiliger Vater“, „Seine Heiligkeit“ und „Pontifex maximus“.

Seine kirchliche Sonderstellung ist im Duden an zahlreichen Stellen dokumentiert. Vielfältig sind seine Amtsgeschäfte. Da er als Inhaber der „Suprematie“ „infallibel“ ist, vermag er zu „dogmatisieren“, also „ex cathedra“ eine Glaubenslehre zum Dogma zu erheben. Was der Papst ansonsten veröffentlicht, wird abgestuft in „Enzyklika“, „Motuproprio“, „Breve“ und die mittelalterliche „Bulle“ als feierlicher Erlass. An Ostern und Weihnachten spendet er den Segen „urbi et orbi“. Gelegentlich werden von ihm besonders verdiente Personen der Kirche „selig-“ oder „heiliggesprochen“.

Während einer „Sedisvakanz“ im Vatikan tritt der Kardinaldekan (nicht im Duden) in Aktion und beruft das „Konklave“ ein. Wenn dort ein neuer Papst zu wählen ist, kommt es oft vor, dass die als Kandidaten infrage kommenden Kardinäle, die „Papabile“, doch nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten.

Die Zeiten sind vorbei, als der Papst bei feierlichen Aufzügen mit der „Tiara“ als Kopfbedeckung auf einer „Sedia gestatoria“ – nicht zu verwechseln mit dem „Heiligen Stuhl“ – getragen wurde. Er tut das heute weniger abgehoben zu Fuß oder wird im „Papamobil“ gefahren.

 

27  Geistlichkeit

‚Abschied von Hochwürden’ war die Losung nach 1968. Zwanzig Jahre später rückte Eugen Drewermann dem „Kleriker“ mit einem Psychogramm zu Leibe. Auch der Duden 1 betrachtet Wendungen wie „der hochwürdige Herr Pfarrer“ als veraltet.

„Am besten nennt ihr niemanden mehr Papa außer eurem Papa im Himmel“, so locker übersetzt die Volxbibel jenes Wort Jesu im Matthäusevangelium (Mt 23,9). Gleichwohl hat der Duden den Titel „Padre“ für den italienischen und spanischen Ordenspriester neu aufgenommen. Im Deutschen ist es seit Langem der (lateinische) „Pater“. Der Priester einer Diözese wird „Welt-“, „Leut-“ oder „Laienpriester“ genannt. In Frankreich heißt ein Geistlicher „Abbé“ oder „Curé“, in England und Amerika „Reverend“.

Weiteren bekannten Titeln ist im Duden meist eine entsprechende Erläuterung beigefügt. Neben dem auch weltlichen Titel „Exzellenz“ gibt es katholischerseits die „Eminenz“, früherer Titel des „Kardinals“, den „Monsignore“ (abgekürzt „Msgr.“) den „Erzbischof“ und „Erzpriester“ sowie den „Archidiakon“ – eher in der anglikanischen Kirche.

Spezifisch evangelisch sind – mit weiblicher Form – die Titel „Landesbischof“, „Superintendent“ und „Konsistorialrat“ („-rätin“ neu im Duden). Interkonfessionell, daher auch feminin geführt, finden sich die Titel „Bischof“, „Prälat“, „Presbyter“, „Propst“ sowie der/die „Präses“. Neu im Duden ist der „Dompropst“. „Archimandrit“ heißt ein Klostervorsteher oder Priester der Ostkirche; der niedere Geistliche nennt sich „Pope“, der höhergestellte „Patriarch“.

 

28  Orden und Ordo

Als ich dem Rätselautor Sebastian Herzog einmal meine SVD-Zugehörigkeit mitteilte, schrieb er mir: „’Gesellschaft des göttlichen Wortes’ – das klingt nach einer Mussvereinigung aller gläubigen Scrabbler. Aber bitte nicht falsch verstehen! Ich achte den Glauben, auch wenn ich ihn nicht teile.“

Erstmals enthält der Duden 1 jetzt den Eintrag „Steyler“. Als Erläuterung steht dabei: „Angehöriger des Ordens der Steyler Missionare“. Verwiesen wird auch auf der eigentlichen Ordensnamen, der schon in früheren Duden-Ausgaben stand: „Societas Verbi Divini“: ‚Gesellschaft des göttlichen Wortes’, katholische Missionsgesellschaft von Steyl in der niederländischen Provinz Limburg. Für die Abkürzung „SVD“ gibt es noch einen eigenen Eintrag.

An drei Stellen im Duden dürfen sich zwei weitere Ordensmitglieder wiederfinden: „Franziskaner“ – „O.F.M.“ (Ordo Fratrum Minorum) – „Minderbruder“ und „Jesuit“ – „SJ“ – „Societas Jesu“. Vier Stellen sind es nur beim „Dominikaner“ – „O.P(r).“ (Ordo Praedicatorum) – „Predigerorden“ – „Prädikantenorden“. Andere „Kongregationen“ müssen sich mit ein bis zwei Stellen begnügen oder sind gar nicht berücksichtigt.

Dass ein Orden gegenüber dem Ortsbischof „exemt“, also gesetzlich freigestellt ist, drückt sich auch in einem eigenen „Kalendarium“ aus, mit täglichen Anweisungen für Messfeier und Stundengebet. In den Bistümern heißt dieses Verzeichnis meist „Direktorium“. Für eine Ordensgesellschaft nennt es sich auch „Ordo“ (nicht im Duden); dazu gehört auch ein „Nekrologium“ (Totenverzeichnis).

 

29  Kirchenfrau

Der neue Duden 1 zeichnet sich unter anderem durch die konsequentere Berücksichtigung femininer Formen aus (z. B. „Kölnerin“). Den religiösen Bereich betrifft das in dreißig Fällen, deren männliche Form in den früheren Duden-Auflagen bereits vorlag. Religionsgeschichtlich zu unterscheiden wären: die „Nekromantin“ (Toten- und Geisterbeschwörerin); die „Ikonoklastin“ (Bilderstürmerin); die „Gotteskriegerin“. „Gotteskrieger“ (Taliban- und El-Kaida-Kämpfer) war das Unwort des Jahres 2001.

Eine weitere Kategorie betrifft die Konfessionen: die „Zwinglianerin“ als Anhängerin eines großen Reformators; die „Episkopalistin“, nach deren Auffassung das Konzil der Bischöfe über dem Papst steht; die „Herrnhuterin“ als Mitglied der Herrnhuter Brüdergemeine; die ebenfalls evangelische „Konsistorialrätin“; katholischerseits die „Offizialin“ als Vertreterin des Bischofs bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit; außerdem die „Homiletin“ als Kennerin von Geschichte und Theorie der Predigt.

Für spezielle Gruppierungen stehen die „Zionitin“ (Angehörige einer schwärmerischen christlichen Sekte im 18. Jahrhundert) und die „Zölestinerin“ (Mitglied eines ehemaligen katholischen Ordens). Neben dem pflichtmäßig Ehelosen wird jetzt auch die „Zölibatärin“ genannt. Liturgisch beteiligt sind die „Psalmistin“ als „Psalmendichterin“ oder „-sängerin“ und die „Herrgottsschnitzerin“, eine Holzbildhauerin, die besonders Kruzifixe schnitzt.

All das zeigt ein waches Bewusstsein der Duden-redaktion für die Wandlungen auch im religiös-kirchlichen Bereich.

 

30  Dienste und Ämter

Der „Zelebrant“ ist ein „die Messe lesender Priester“ – so steht es auch noch im neuen Duden 1. Solcher „Einmannbetrieb“ ist allerdings nach dem Zweiten Vatikanum unerwünscht. Die Liturgie sollte wieder von einer Aufgabenteilung geprägt sein; dazu gehört die Leitung: evangelisch „Liturg(in)“ (den Gottesdienst haltender Geistlicher), katholisch auch „Offiziant“ (einen Gottesdienst haltender katholischer Priester).

Vor dem Konzil gab es vier spezielle Ämter: Akolyth, Exorzist, Lektor und Ostiarier. Zwei davon weiß der Duden noch zu benennen: „Akolyth“ (früher katholischer Kleriker im vierten Grad der niederen Weihen) und „Exorzist“ (früher dritter Grad der katholischen niederen Weihen). Ein früheres Amt ist auch der „Subdiakon“ (Inhaber der untersten der höheren Weihen). Die Neuordnung der Dienste unter Paul VI. (1972) war ein tot geborenes Kind. Denn die Beauftragung zum „Akolyth“ und „Lektor“ bleibt Männern vorbehalten und spielt daher im Gemeindeleben praktisch keine Rolle. So werden die Dienste im Auftrag des Gemeindeleiters ausgeführt: „Lektor(in)“ (jemand, der liturgische Lesungen hält), „Akolyth“ (Laie, der während der Messe bestimmte Dienste am Altar verrichtet), „Psalmist(in)“ (Psalmensänger/in), „Kantor(in)“ (Leiter eines Kirchenchores, Organist); nicht zu vergessen den/die „Ministrant(in)“ oder „Messdiener(in)“.

Der „Diakon“ (katholischer, anglikanischer oder orthodoxer Geistlicher) hat konfessionell vergleichbare Aufgaben, während der „Presbyter“ entweder katholischer Priester oder Mitglied des evangelischen Presbyteriums ist.

 

31  Fest

Umfragen zufolge ist immer weniger Menschen hierzulande klar, was an den großen christlichen Festen eigentlich gefeiert wird. So weiß zum Beispiel jeder zweite Deutsche nicht, was der Sinn des „Pfingstfestes“ ist. Der Duden 1 scheint das Wissen noch vorauszusetzen, denn weder die übliche Deutung „Fest des Heiligen Geistes“ noch die theologisch tiefere Erklärung „Geburtstag der Kirche“ werden erwähnt.

Es gibt rund sechzig Wörter im Duden, die mit „-fest“ (nicht im Sinne von „sicher“) enden. Neu sind sieben weltliche Feste: „Geburtstags-“, „Kammermusik-“, „Kinder-“, „Musik-“, „Park-“, „Schul-“ und „Stadtfest“. Dem Stichwort folgt eine Erklärung nur ausnahmsweise: „Christfest“ (landschaftlich für Weihnachten), „Gschnasfest“ (österreichisch für Kostümfest, Ball), „Julfest“ (Fest der Wintersonnenwende), „Wiegenfest“ (gehoben für Geburtstag).

Während auch bei den großen christlichen Tagen wie „Christkönigsfest“, „Dreieinigkeits-“, „Dreifaltigkeits-“ oder „Trinitatisfest“ sowie „Weihnachtsfest“ bis auf Kalenderangaben die Sinndeutung fehlt, enthalten die jüdischen Feste wenigstens knappe Hinweise: „Laubhütten-“ und „Versöhnungsfest“, „Purim“ und „Lichterfest“ (Fest der Tempeleinweihung). Erfreulicherweise steht bei „Passahfest“: „Passah“ – jüdisches Fest zum Gedenken an den Auszug aus Ägypten. – Wie schön wäre es, vermerkt zu sehen, dass das „Osterfest“ von diesem Gedanken her zu verstehen sei! Selbst das „Zuckerfest“ wird erklärt mit: Fest der Muslime nach dem Fastenmonat.

 

32  Volksfrömmigkeit

Gottesdienstliche Formen neben der offiziellen Liturgie sind im Duden 1 mit einem vielfältigen Vokabular benannt. Allerdings fehlt der übliche Sammelbegriff ‚Volksfrömmigkeit’; man kann aber auch allgemein von „Andacht(sübung)“ sprechen. Die „Maiandacht“ gibt es schon lange; neu im Duden ist die „Dankandacht“.

Als „Devotion“ kann bereits ein „Kreuzzeichen“ oder „Stoßgebet“ gelten. Grundgebete sind das „Paternoster“ („Vaterunser“) und das „Ave-Maria“ („Gegrüßet seist du, Maria“). Vielfach wiederholt, formen sie den „Rosenkranz“ („Rosarium“), während der „Angelus“, an den das „Angelusläuten“ erinnert, nur drei „Ave-Maria“ enthält. Beim Kirchenvolk beliebt sind auch Formen der „Litanei“ mit gesprochenem oder gesungenem Wechselruf „ora pro nobis!“ („bitte für uns!“). Die „Lauretanische Litanei“ ist eine im italienischen Wallfahrtsort Loreto entstandene Marienlitanei.

Das Leiden Christi wird mit seinen vierzehn Stationen im „Kreuzweg“ bildlich dargestellt. Diesen gestaltet man als Andacht mit oder ohne Prozession vorzugsweise in der Zeit von Aschermittwoch bis Karfreitag.

Auf besondere Feste wie Pfingsten oder Weihnachten bereitet man sich mancherorts mit einer neuntägigen Andacht („Novene“) vor. Die drei Tage vor Christi Himmelfahrt sind zu „Bitt-Tagen“ geworden, die auch mit „Bittgängen“ („Rogationen“) gestaltet werden. Der große Tag für Prozessionen ist seit dem 13. Jahrhundert das „Fronleichnamsfest“; doch schon lange vorher haben Gemeinden die Tradition von „Flurumgängen“ geschaffen.

 

33  Devotionalien

„Die Menschen werden aufgeklärter von Tag zu Tag und fallen immer mehr ins Mittelalter zurück“, so kommentierte der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch einmal ironisch-kritisch den Kommerz um Weihnachten und Ostern. Kann man auch den Umgang mit „Devotionalien“ (kath. Kirche der Andacht dienende Gegenstände – Duden 1) als Rückfall in Zeiten vor der Aufklärung bezeichnen?

Definitionen solcher Gegenstände könnten das nahelegen: Ein „Gnadenbild“ – so ein Liturgielexikon – ist „ein Christus- oder Marienbild, das um einer ihm zugeschriebenen wundertätigen Wirkung willen von Wallfahrern verehrt wird“. Das „Amulett“ wird vom Duden bezeichnet als „Gegenstand, dem Unheil abwehrende Kraft zugeschrieben wird“. Bei „Reliquie“ steht als Erläuterung: „Überrest der Gebeine, Kleider oder Ähnliches eines Heiligen als Gegenstand religiöser Verehrung“. Die Nähe zum „Maskottchen“ (Glück bringender Talisman) liegt auf der Hand. Denn im weltlichen Bereich bedient man sich gern eines solchen Glücksbringers: Der Berliner Bär, der Kölner Geißbock, der Leverkusener Bayer-Löwe, das Stuttgarter Krokodil oder der Rote Teufel in Kaiserslautern werden als Erfolgsgaranten für den Fußballverein beschworen.

Offenkundig brauchen gläubige Menschen Gegenstände, um sich die übernatürliche Welt auch mit den Sinnen zugänglich zu machen. Die einen haben im Auto eine Christophorusplakette angebracht, andere tragen ein kleines Kreuz am Halskettchen. Die Grenze zur Magie ist solange nicht überschritten, wie solche Gegenstände nur als Hinweis auf das Mysterium angesehen werden.

 

34  Liturgie

Wie man eine heilige Handlung richtig benennt, darüber können auch in Fachkreisen die Meinungen auseinandergehen. Dass eine begriffliche Genauigkeit kaum zu erreichen ist, zeigt spiegelbildlich auch der Duden 1. Die hier infrage kommenden neuen Wörter sind: „Dankandacht“, „Dankgottesdienst“, „Gebetsgottesdienst“ und „Gebetsstunde“. Mit Gebetsstunde wurde schon früher die „Andacht“ erklärt.

Der Begriff „Liturgie“ erschien bereits in den älteren Duden-Auflagen erklärungsbedürftig: „amtliche oder gewohnheitsrechtliche Form des kirchlichen Gottesdienstes, besonders der am Altar gehaltene Teil“. Hier ist wohl eher an die Form der ‚Eucharistiefeier’ oder ‚Messfeier’ (nicht im Duden) gedacht. Das „Stundengebet“ hat ja mit dem Altar weniger zu tun. Die hierfür auch üblichen Bezeichnungen ‚Stundenliturgie’ oder ‚Tagzeitenliturgie’ kennt das Wörterbuch ebenfalls nicht.

Weitere hier aufgeführte Begriffe sind: „Zeremonie“, mit der Erklärung: feierliche Handlung, Förmlichkeit; „Kult“: Form der Religionsausübung; „Ritual“: religiöser Brauch, Zeremoniell. Diese Erklärung greift allerdings ebenso zu kurz wie die bei „Ritus“: gottesdienstlicher (Fest)brauch, Zeremoniell. Beim Stichwort „Zeremoniell“ wiederum steht die Erklärung: „(Vorschrift für) feierliche Handlungen“ – die auch profaner Art sein können.

Dass der Gottesdienst auch zu regeln ist, signalisiert der neue Eintrag „Gottesdienstordnung“. Damit mag sich die Einsicht verbinden: Hier hat man es mit einer amtlichen Handlung zu tun.

 

35  Messe und Amt

Wie kommt das Wort „Amt“ in die Liturgie? Das geschah im Mittelalter, als sich in Dom- und Stiftskirchen der Hauptgottesdienst von den Nebenfeiern abhob. Die „Kapitulare“ feierten den offiziellen („amtlichen“) Gottesdienst; das war ihr Offizium („Amt“). Das „Hochamt“ zeichnete sich durch ausgiebigen Gesang aus. Die Messe hieß demnach ‚Missa cantata’ oder gar „Missa solemnis“ mit „Leviten“ (Helfer des Priesters beim feierlichen Hochamt).

Ferner kennt der Duden 1 auch das „Pontifikalamt“: eine von einem Bischof oder Prälaten gehaltene feierliche Messe. – Die Endung „-amt“ findet sich zudem in „Hirtenamt“, einer Weihnachtsmesse, sowie in „Seelen-“ und „Sterbeamt“, einer Totenmesse. Mit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanum hat das Amt eigentlich ausgedient; denn die genaue Unterscheidung, welche gesungenen Teile die Messe zum Amt machten, entfiel zugunsten einer flexiblen Feiergestalt. Jetzt gibt es für die Gemeindemesse eine Grundform, die an Sonn- und Feiertagen möglichst mit Gesang und unter Beteiligung zahlreicher Mitwirkender gefeiert werden sollte.

Doch weiterhin findet man allenthalben in den Verlautbarungen bei einer festlicheren Feier den Ausdruck „Hochamt“. Landet man nach dem liturgischen Höhenflug in den Niederungen kindgemäßer Feier, so ist Vorsicht bei der Ankündigung im Pfarrblatt geboten; sonst könnte dort etwa Folgendes stehen: „Am kommenden Sonntag ist um 11:00 Uhr in der Friedenskirche für Eltern, Großeltern und Kleinkinder ein ‚Krabbelgottesdienst’“ (nicht im Duden).

 

36  Niederschwellig

Muss es denn gleich immer die Messe sein? Gewiss, im Mittelpunkt der katholischen Gemeinde steht die Sonntagseucharistie. Dieses liturgische Ideal kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Katholiken sich von solcher Hochform der Liturgie entfremdet haben. Die Messfeier setzt nun einmal die bewusste Initiation in das christliche Leben mit seiner Sprache und seinen Symbolen voraus, ist somit weniger geeignet, Außenstehende in den Glauben einzuführen. Den Standorten derer, die auf der Suche sind, kommen eher katechumenal ausgerichtete Feierformen entgegen. Diese können Bedürfnisse auffangen und artikulieren, die so nicht in die Gemeindemesse gehören. Von den Verantwortlichen werden solche katechumenalen Feiern häufig auch „niederschwellige (niedrigschwellige) Angebote“ genannt – ein Neuwort im Duden 1. Eine Chance bietet sich hier etwa vom „Stundengebet“ her, wenn eine solche Tagzeitenliturgie flexibel gestaltet wird, mit Rücksicht auf liturgisch wenig geübte Teilnehmer.

In der Erfurter Domgemeinde gibt es beispielsweise seit Jahren Versuche mit einem mitternächtlichen Weihnachtslob, einer Feier zur Lebenswende statt der Jugendweihe, einer Segnung für Liebende oder einem konfessionsfreien Totengedenken.

Aber auch die – im Duden neue – „Gebetsstunde“, mit Musik und Texten gestaltet, mag sich als Gottesdienst verstehen, der auf elementare Vollzüge wie Schriftlesung und Gebet beschränkt ist. Das Maß der Identifikation und Nähe können die Beteiligten selbst bestimmen.

 

37  Sakrament

Aus dem Fluchwort „sakra!“ wird eine gottesdienstliche Handlung, wenn man die Silbe „-ment“ anhängt. So könnte man den Duden 1 auch (miss)deuten. Es geht beim Begriff „Sakrament“ gewiss um noch mehr, wie bei den sieben Sakramenten im Wörterbuch auch erklärt wird, die das Trienter Konzil für die katholische Kirche verbindlich festgelegt hat.

Dass die „Taufe“ ein solches ist, versteht sich von selbst. Bei „Firmung“ aber setzt der Duden in Klammern „kath[olisches] Sakrament“ hinzu, ebenso bei „Krankensalbung“. Die „Eucharistie“ wird unter anderem mit „Altar(s)sakrament“ erklärt. Da „Buße“ auch Geldstrafe bedeuten kann, sagt man am besten gleich „Bußsakrament“. Beim Stichwort „Ölung“ wie auch im Infokasten zu „letzte“ heißt es bei „Letzte Ölung“: „kath. Kirche früher für Krankensalbung“. Die Ölung lässt sich aber aus den katholischen Köpfen nicht so leicht entfernen und taucht auch in Redewendungen auf wie: „dem EU-Vertrag die Letzte Ölung erteilen“. Ob die „(Feier der) Eheschließung“, „Heirat“, „Hochzeit“, „Trauung“ oder „Vermählung“ ein Sakrament ist, bleibt unklar. Auch im Zusammenhang mit der Weihe ist nicht von Sakrament die Rede. Wohl umschreibt „Ordination“ die Handlung: „Weihe, Einsetzung [eines Geistlichen] ins Amt“. Der Duden kennt jedoch nur die „Priesterweihe“, nicht aber die Weihe eines Bischofs oder Diakons.

Was „Sterbesakramente“ sind, wird nicht gesagt. Allerdings heißt es beim „Versehgang“: „Gang des kath[olischen] Priesters zur Spendung der Sakramente an Kranke, besonders an Sterbende“.

 

38  Gebet

Liturgisches Beten geht nicht einfach so frei drauflos, sondern ist im Normalfall wohlgeordnet. Das weiß auch der Duden 1, ob es nun um die Zeiten des Stundengebetes geht oder um Gebetsarten innerhalb eines Gottesdienstes. Vom Motiv her lassen sich unterscheiden: „Dankgebet“ („Gratias“), „Bittgebet“ (auch als „Fürbitten“) und „Klagegebet“ („Lamento“).

Die einzelnen „Horen“ heiligen den ganzen Tag und sollten – dem Zweiten Vatikanum zufolge – zeitgerecht vollzogen werden: „Prim“ als erste Hore (1971 gestrichen), „Laudes“ als „Morgengebet“, ‚Terz’ (nicht im Duden) am Vormittag, „Sext“ als „drittes Tagesgebet“, „Non“ am Nachmittag, „Vesper“ als „Abendgebet“ und „Komplet“ als „Nachtgebet“. Hinzu kommt als nächtliches Stundengebet die „Matutin“, die heute als Lesehore (nicht im Duden) irgendwann am Tag gebetet werden kann.

Die Messfeier enthält verschiedene Gebetstypen, allen voran das „Hochgebet“ (früher „Kanon“), mit seinen Grundelementen „Anamnese“ (Gedächtnis – der Duden kennt nur die medizinische Bedeutung: Vorgeschichte einer Krankheit) und „Epiklese“ (Anrufung des Heiligen Geistes). Das Hochgebet beginnt mit der „Präfation“ und endet mit einer „Doxologie“. Das Gabengebet zuvor hieß früher „Oblation“ (Darbringung) oder „Sekret“ (stilles Gebet). Das letzte Amtsgebet ist die „Postkommunion“.

Gegenstände beim Beten sind „Gebetsmantel“, „-mühle“, „-riemen“ oder „-teppich“. Eine persönliche Gebetsform stellt die „Adoration“ oder „Anbetung“ dar, etwa vor dem „Allerheiligsten“.

 

39  Bibel

Ob gelesen, gebetet oder gesungen – in den Gottesdienst gehört die Bibel. Sie hat unsere Sprache und Bilder stark geprägt, was auch der Duden 1 bezeugt. Mit „Bibel-“ beginnen die Wörter: „Bibeldruck“, „-forscher/in/ung“, „-konkordanz“, „-lese“, „-spruch“, „-stelle“, „-stunde“, „-text“, „-vers“ und „-wort“. Bei zahllosen Namen, Orten, Schriften und Wendungen steht der Hinweis: biblisch oder A.T. bzw. N.T. (Altes und Neues Testament).

Die fünf Bücher Mose („Pentateuch“) sind auch einzeln zu finden, nicht aber die weiteren Bücher im „Hexateuch“ und „Heptateuch“. Die Geschichtsbücher werden summarisch „Chronika“ genannt. Beim Stichwort „Prophet“ sind die „Großen“ und „Kleinen Propheten“ unterschieden, wobei die sech-zehn Namen auch einzeln vorhanden sind. Drei der sieben Weisheitsbücher sind genannt: das „Hohelied“, das Buch „Jesus Sirach“ („Ekklesiastikus“) und der „Psalter“. Zwei Psalmen werden sogar mit ihrem lateinischen Namen gewürdigt: 51 „Miserere“ und 130 „De Profundis“. Auch die Gottesnamen „Adonai“, „Elohim“, „Jahwe“ („Zebaoth“) werden erwähnt.

Von den 27 Schriften des N.T. werden zwölf genannt, die vier Evangelien zudem uneinheitlich bezeichnet. Spezielle Einträge sind die Gottesanrede „Abba“, die „Bergpredigt“, der Pilatus-Ausruf „Ecce-Homo“ und die Kreuzesinschrift „I.N.R.I.“.

Der biblische Urtext bedarf stets neuer Übersetzungen, angefangen von der „Septuaginta“ (griechisches A.T.), über die „Itala“ und „Vulgata“ (lateinische Bibeln) bis zur mehrsprachigen „Polyglottbibel“.

 

40  Predigt

„Lassen Sie mich schließen mit einem Wort, das uns die Augen öffnen helfen will, mit einem Wort des böhmischen Wanderpredigers Heinrich Ignaz Mützenbecher, der da sagt: ‚Möge, der Du sein werdest, dann siehst Du, was Du sein dürftest!’“ So parodierte 1963 der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch den „Kanzelton“ der ARD-Sendung Wort zum Sonntag. Sind die Predigten heute besser, verständlicher, volksnäher? Vorbei sind die Zeiten der „Moralpauke“, „Schimpfkanonade“, „Straf-“ und „Gardinenpredigt“. Solche Reden hat der Duden 1 noch bewahrt, wie auch die Person „Buß-“ und „Moralprediger(in)“. Die „Kapuzinade“, eine „Kapuzinerpredigt“ ([derbe] Strafrede), wurde jedoch als veraltet gestrichen.

Vornehmer, zudem vom Zweiten Vatikanum eingefordert, klingt der Begriff „Homilie“ (Predigt über einen Bibeltext). Für „Predigt“ stehen auch Ausdrücke wie „Ansprache“, „Morgenandacht“, „Impuls“, (mystagogische) „Katechese“ und ‚Statio’ (kein Duden-Wort). Die Predigt soll „Frohbotschaft“ sein, nicht ‚Drohbotschaft’ (kein Duden-Wort), eher „Trostwort“ als „Standpauke“. Das kann aber auch in frommes „Gerede“ abgleiten: der Prediger als „Süßholzraspler“. Das andere Extrem – hierzulande ein außerchristliches Phänomen – ist der „Hassprediger(in)“ (neu in der 24. Duden-Auflage 2006), dessen Auslassungen zu Recht als „Amtsmissbrauch“ verurteilt werden.

Eine Predigt – so lehrt die „Homiletik“ – ist eine Rede, keine „Schreibe“. Weder „Sermon“ noch rhetorisches Feuerwerk, sondern eher „Authentizität“ kann dem Wort Gottes heute Gehör verschaffen.

 

41  Gnade

„Auch ‚Gnade’ ist so ein komisches Wort. Seit 500 Jahren hat das bei uns in der evangelischen Kirche eine riesige Konjunktur: Gnade. Aber was hat er damit gemeint, der Luther, der mal festgesetzt hat, dass Gnade das Zentralwort für die evangelische Kirche ist?“ – fragt der Fernsehpfarrer Jürgen Fliege. Gehört „Gnade“ wirklich zu einer speziell kirchlichen Gebets- und Predigtsprache? Muss der Begriff dem „normalen“ Menschen erklärt werden?

Der Befund im Duden 1 scheint die Fliege-These zunächst zu bestätigen. In 25 Wörtern kommt „Gnade“ mit entsprechenden Ableitungen vor. Einige Begriffe davon erscheinen sogar erklärungsbedürftig, z. B. „begnaden“ (gehoben für eine Gnade zuteilwerden lassen), „begnadet“ (hochbegabt), „begnadigen“ (jemandem seine Strafe erlassen), „gnaden“ (veraltet für gnädig sein – heute nur noch im Konjunktiv I: gnade dir Gott!). Ferner ist die Wendung „es ist eine Gottesgnade“ zu unterscheiden von alten Herrschertiteln: „von Gottes Gnaden König“.

Andererseits ist „Gnade“ im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus auch präsent: „Der Schiedsrichter hat noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und dem Spieler nur die Gelbe Karte gezeigt.“ So etwa hört man in Fußballreportagen. In der jüngsten Diskussion um RAF-Häftlinge war oft von „Begnadigung(srecht)“ die Rede. Mit „Gnadenakt“ enthält der Duden sogar ein Neuwort. Die „Gnadenhochzeit“ ist immer eine Schlagzeile wert; denn siebzig Ehejahre erreichen nur wenige. Schließlich wird im Lied ‚O du fröhliche’ die ‚gnadenbringende Weihnachtszeit’ besungen.

 

42  Text und Buch

Das Christentum war ursprünglich keine Buchreligion, sondern eine therapeutische Religion – so eine etwa von Eugen Biser formulierte These.

Doch die Christen haben von Anfang an in ihrem Gottesdienst auch heilige Texte vorgetragen, zunächst „Perikopen“ (Abschnitte) aus der jüdischen Bibel (= Altes Testament), den Apostelbriefen („Episteln“) und den Evangelien.

Das Beten und Singen geschah vorerst frei improvisiert. Als die Liturgie dann immer mehr formalisiert wurde und man in den Texten die Gefahr von Häresien witterte, bedurfte es strikterer Regeln und eines Schriftenkanons (Neues Testament).

Für die verschiedenen Rollenträger entwickelten sich passende Buchtypen. Davon kennt der Duden 1 jedoch nur eine kleinere Zahl. Das „Evangeliar(ium)“ („Evangelienbuch“) gilt als allgemein bekannt. ‚Lektio-nar’ und ‚Sakramentar’ aber sind dem Duden fremd.

Während „Antifonale“ oder „Antifonar“ als Sammlung von Antifonen und „Graduale“ als das die Choralmessgesänge enthaltende Buch erklärt wird, fehlen ‚Cantatorium’, ‚Cantionale’ und ‚Kantorale’.

Das „Missal(e)“ (katholisches Messbuch), das „Ritualbuch“ wie auch das „Pontifikale“ (liturgisches Buch für die bischöflichen Amtshandlungen) sind des Allgemeinwissens würdig. ‚Benediktionale’ und ‚Zeremoniale’ hingegen scheinen wiederum zu speziell zu sein.

 

43  Maria

„Maria, Maienkönigin, dich will der Mai begrüßen...“. In diesem Kirchenlied von Guido Görres hat eine Gesangbuchkommission „Maienkönigin“ durch „Himmelskönigin“ ersetzt – was weniger missverständlich erscheint; denn im Duden 1 heißt es bei „Maienkönigin“: „gehoben für Maikönigin“. Diese aber spielt nur eine Rolle bei Volksfesten im Mai.

Der Duden enthält neun Hauptwörter, die mit „Marien-“ beginnen: „Marienbild“, „-dichtung“, „-fest“, „-kirche“, „-kult“, „-leben“, „-legende“, „-tag“ und „Marienverehrung“. Doch die „Gottesmutter“ oder „Muttergottes“ ist noch an vielen anderen Stellen im Wörterbuch präsent.

Im Infokasten zu „lieb“ steht als Beispiel: „[Kirche] zu Unserer Lieben Frau[en]“. Ähnlich heißt es beim Stichwort „unser“: „Unsere Liebe Frau (Maria, Mutter Jesu)“. Beim Wort „unbefleckt“ denkt man gleich an die „Unbefleckte Empfängnis [Mariens]“.

Die christliche Kunst schuf ein Andachtsbild mit Maria, ihrer Mutter Anna und dem Jesuskind, die „Anna selbdritt“. Kunstgeschichtlich bedeutsam sind auch „Muttergottesbilder“ oder „Madonnenbilder“, wobei die italienische „Madonna“ (meine Herrin) sich auf Maria bezieht. Die „Pieta“ oder das „Vesperbild“ zeigt Maria mit dem Leichnam ihres Sohnes Jesus auf dem Schoß.

Mit Maria verbundene Gebete sind: „Ave-Maria“ („Englischer Gruß“), „Angelus“, „Magnifikat“, „Lauretanische Litanei“ und „Rosenkranz“ („Rosarium“). Dieser und die „Maiandacht“ drücken aus, dass Maria zwei besondere Monate gewidmet sind: Oktober und Mai.

 

44  Gebetshaus

Nicht weniger als 56 zusammengesetzte Wörter begannen in der 24. Auflage des Duden 1 mit „Kirch-/en-“. Damit nicht genug, fügte die 25. Auflage noch acht weitere hinzu: „Kirchenfrau“, „-mann“, „-oberhaupt“, „-orgel“, „-pflege“, „-politik“, „-volk“, „Kirchtür“. Da diese Wörter so neu nicht sind, fragt man sich, warum sie erst jetzt Eingang fanden. In jedem Fall spricht dieser Befund für ein bleibendes Bewusstsein von Kirche in der Gegenwart.

Umgekehrt zeigt sich diese Präsenz auch in den Wörtern, die mit „-kirche“ enden. Hier lassen sich 45 Begriffe von „Amtskirche“ bis „Wehrkirche“ notieren. Neu hinzugekommen sind: „Dorf-“, „Minoriten-“, „Tauf-“, „Frauen-“ und „Hofkirche“. Ob es sich bei den letzten beiden nur um konkrete Bauten in einer Stadt (Dresden) handelt, darf offenbleiben. Ähnliches gilt für die alten Einträge: „Heiliggeist-“, „Markus-“, „Pauls-“, „Peters-“, „Petri-“, „Peter-und-Paul-“, „Marien-“, „Sophien-“, „Wieskirche“. Einen „Stephansdom“ gibt es wohl nur in Wien; „Notre-Dame“ hingegen ist der Name vieler Kirchen in Frankreich und den USA.

Nach Größe und Bedeutung lassen sich weitere Begriffe auflisten: „Basilika“, „Dom“, „Kapelle“, „Kathedrale“, „Monasterium“, „Münster“, „Oratorium“. Das Gebäude konnte man immer schon „Gotteshaus“ nennen, jetzt auch „Gebetshaus“. Dass der „Sakralbau“ von weiteren Einrichtungen einer „Parochialkirche“ umgeben ist, verdeutlichen die neuen Duden-Wörter mit „Pfarr-“: „Pfarramt“, „-gemeinde“, „-gemeinderat“, „-heim“, „Pfarrzentrum“.

 

45  Kirchenraum

„Was uns am meisten bewegte, buchstäblich zu Tränen rührte, war Notre-Dame. Man setzt nur den Fuß hinein und weiß augenblicklich, dass man an einem heiligen Ort ist. Die profane Welt des Krebses, des Krankseins, der Armut, des Hungers und aller Nöte bleibt vor den prächtigen Portalen zurück. Überall kam uns die vergessene Kunst der heiligen Geometrie entgegen, eine Einladung an das Bewusstsein, die gleichen göttlichen Konturen anzunehmen... Das Sonnenlicht, eingefärbt von den gewaltigen Glasfenstern, wirkte für sich allein schon heilkräftig.“ So beschreibt der amerikanische Religionsphilosoph Ken Wilber einen Besuch der Pariser Kathedrale zusammen mit seiner krebskranken Frau. Diesem Zitat steht eine Sicht gegenüber, die den Kirchenraum ganz auf die liturgische Funktion ausrichten will: Was dient der gottesdienstlichen Versammlung?

Der Duden 1 wird mit einem beachtlichen Vokabular beiden Richtungen gerecht. Allein zur Beschreibung einer gotischen Kathedrale wie in Amiens, Chartres oder Paris verfügt er über mindestens fünfzehn Begriffe: „Arkade“, „Chor“, „Fiale“, „Gurtbogen“, „Kreuzgewölbe“, „Langhaus“, „Maßwerk“, „Schlussstein“, „Spitzbogen(fenster)“, „Strebebogen“, „-pfeiler“, „-werk“, „Triforium“, „Wasserspeier“, „Wimperg(e)“.

Statt solcher gerichteten („geosteten“) Bauweise kommt heutigem Gottesdiensterleben eher der „Zentralraum“ entgegen, wie er auch schon in alter Zeit mit „Rotunde“ („Rundbau“) oder „Oktogon“ (Achteck) realisiert wurde – wobei der Acht wiederum über die Liturgie hinausweisende Symbolkraft zukommt.

 

46  Kirchturm

Im Juni 1992 hatte ich Gelegenheit New York kurz zu besuchen. In Manhattan angekommen, ging es gleich zum World Trade Center und darin hinauf zur 400 Meter hohen Plattform, die einen herrlichen Ausblick bot. Neun Jahre später wurden die Zwillingstürme tragischerweise dem Erdboden gleichgemacht: „Ground Zero“ – der Duden 1 hat das Wort 2004 (23. Auflage) aufgenommen. Er enthält rund vierzig Wörter mit der Silbe „turm“ – was die Bedeutung dieser Bauart für das Leben zeigt. Nach dem 11. September verglich man solche „Wolkenkratzer“ mit dem „Babylonischen Turm“ – Ausdruck menschlicher Selbstverherrlichung, ein strafbarer Verstoß gegen die Regel „Gott ist oben, der Mensch unten“.

Der christliche „Sakralbau“ kennt seit tausend Jahren neben dem „Kirchenschiff“ auch den „Kirchturm“ oder „Münsterturm“. Im Innenraum gibt es etwas zu sehen, zu hören und zu feiern. Der Turm dagegen wirkt nach außen: offiziell als Burg Gottes, als Abbild des himmlischen Jerusalem, überhaupt als menschliche Preisung göttlicher Größe; heimlich aber auch als Eigenlob architektonischer Meisterleistung. Der Turm (mit Hahn auf der Spitze) dient zudem als Wächter und Prediger der Kirche. Hinzu kommen Funktionen als „Glockenturm“ und „Turmuhr“-Träger.

Der Kirchturm kann auch einmal zum Hoffnungszeichen werden. 1945 bot Köln ein umgekehrtes Bild zu New York 2001: Die zerbombte Stadt – ein einziges Trümmerfeld. Nur der Dom mit seinen beiden Türmen stand noch. Sie vermittelten die Botschaft: Das ist nicht das Ende, das Leben geht weiter.

 

47  Geräte und Orte

Eine 16.000-Euro-Frage bei „Wer wird Millionär?“ lautete: „Was wird in katholischen Kirchen im Tabernakel aufbewahrt? – A: Weihrauch; B: Messgewand; C: Gebetbuch; D: Hostien.“ – Lächerliche Frage! Das weiß doch jedes Kind! Die Höhe der Gewinnsumme zeigt jedoch an: Das Wissen um liturgische Dinge kann man als selbstverständlich voraussetzen.

So muss auch der Duden 1 solchen Begriffen Erläuterungen anfügen. Bei „Tabernakel“ steht: „kath. Kirche Aufbewahrungsort der Eucharistie [auf dem Altar]“ – wenn man denn weiß, dass „Hostie“ nicht nur „Abendmahlsbrot“, sondern auch „Eucharistie“ oder „Kommunion“ heißen kann. Der Fachbegriff für das „Emporheben der Hostie und des Kelches beim katholischen Messopfer“ ist „Elevation“. Behälter für die Hostien sind „Peristerium“ oder „eucharistische Taube“, „Pyxis“, „Ziborium“ (Aufbewahrungsgefäß) und „Monstranz“ (Gefäß zum Tragen und Zeigen der geweihten Hostie). Ein „Kelch“ erscheint nicht erklärungsbedürftig; anders die „Patene“: Hostienteller.

Beim Altar kann man „Haupt-“, „Hoch-“ und „Seitenaltar“ unterscheiden. Einen Altaraufsatz nennt die Kunstwissenschaft „Retabel“. Zum „Chor“, dem (erhöhten) Kirchenraum mit dem Hauptaltar, gehört das „Chorgestühl“; darin finden sich vielerorts „Miserikordien“: Vorsprünge an den Klappsitzen als Stütze während des Stehens. – In mittelalterlichen Kirchen befand sich zwischen Chor und Langhaus eine Schranke, der „Lettner“.

Was eine „Kanzel“ ist, muss man laut Duden einfach wissen; bei „Ambo“ wird jedoch erklärt: „erhöhtes Lesepult in christlichen Kirchen“.

 

48  Gewänder

Unter dem Stichwort „Parament“ (liturgische Kleidung) findet sich im neuen Duden 1 auch die „Paramentenmacherin“ – was darauf schließen lässt, dass liturgische Gewänder für das heilige Spiel nicht ganz unwichtig sind. Das belegen auch andere Duden-Einträge mit ihren Erläuterungen.

Vor der Messfeier bekleidet sich der Priester mit „Humerale“ (Schultertuch), „Albe“ (weißes Gewand), „Zingulum“ (Gürtel[schnur] der Albe), „Kasel“ (Messgewand) und „Stola“ (Gewand, Umhang). Die Stola beschreibt der Duden – Deutsches Universalwörterbuch (6/2006) genauer als „langen, schmalen, mit Ornamenten versehenen Stoffstreifen“. Vor dem Zweiten Vatikanum war noch das „Manipel“ Teil der Priestergewandung. Bei anderen Feiern trägt der vorstehende katholische Geistliche „Talar“ (langes Amtskleid) oder „Soutane“, „Rochett“ (Chorhemd) und „Stola“, gegebenenfalls auch „Pluviale“ (Vespermantel) und „Velum“ (Teil der gottesdienstlichen Kleidung katholischer Priester). Die „Dalmatik“ wird allgemein als liturgisches Gewand bezeichnet; genauer müsste es heißen: Obergewand des Diakons.

Ob Laien bei besonderen liturgischen Diensten auch entsprechende Gewänder anlegen sollen, wird kontrovers diskutiert. Die Befürworter schlagen eine Gewandung vor, die sie von Klerikerkleidung abhebt und doch die gemeinsame Taufwürde anzeigt. Das könnte etwa eine Kombination von Albe und farbigem „Skapulier“ (bei der Mönchstracht Überwurf über Brust und Rücken) sein oder einfach ein Taufschal (kein Duden-Wort).

 

49  Engel

„Da hast du einen guten Schutzengel gehabt“, sagt man zu jemand, der eine Gefahr heil überstanden hat. Dabei muss man nicht unbedingt an dieses Geistwesen glauben. Gleichwohl hat der Duden 1 die Engel mit vielerlei Wörtern gewürdigt.

Die „Erzengel“ werden mit Namen genannt: neben „Michael“, „Gabriel“, „Raphael“ (Fest am 29.9.) auch „Uriel“. Bei Engeln mit besonderen Aufgaben hätte man sich auch Erläuterungen gewünscht, wie sie der Duden – Deutsches Universalwörterbuch (6/2006) bietet: „Posaunenengel“ [Engel mit Posaune (in bildlichen oder plastischen Darstellungen)], „Racheengel“ [Engel, der jemandes Untaten rächt], „Rauschgoldengel“ [kleiner Engel aus Rauschgold], „Todesengel“ [den Tod verkündender Engel; Engel des Todes], „Weihnachtsengel“ [Engel aus buntem Papier, Stroh o.Ä. bes. als Schmuck des Weihnachtsbaums], „Würgengel“ [(im Alten Testament) zum Töten ausgesandter Engel]. Engel sind also nicht so harmlos, wie Verniedlichungen in Bild („Putte“ – kleine Engelsfigur) und Sprache („Engelchen“, „Englein“, „Unschuldsengel“ – spöttisch, ironisch) nahelegen.

Wenn man jemand sehr eindringlich von etwas überzeugen will, muss man schon mit „Engelszungen“ reden und eine „Engelsgeduld“ bewahren. Auch die Adjektive „engelgleich“, „-rein“, „-schön“, „-haft“ drücken übermenschliche Vorstellungen aus.

Die eingangs genannten Schutzengel haben auch einen eigenen Gedenktag erhalten (2.10.). In der zugehörigen Präfation der Messfeier heißt es von den Engeln: „An ihrem Glanz und ihrer Würde erkennen wir, wie groß und über alle Geschöpfe erhaben Du selber bist.“

 

50  Künstler

Aus der Welt der Maler, Grafiker, Bildhauer und Architekten würdigt der Duden 1 namentlich 133 Personen vom 5. Jahrhundert vor Christus bis zur Gegenwart. Nur drei davon sind Frauen: Frida Kahlo, [Käthe, d. Verf.] Kollwitz, [Paula] Modersohn-Becker. 30-mal ist auch der Vorname genannt. Einige Namen mag man vermissen wie Fra Angelico, Hans Memling, Veit Stoß oder Moritz von Schwind. Das Wörterbuch gibt in Klammern jeweils Betätigungsfeld und Nationalität an. Bei Universalgenies wie Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci heißt es einfach: Künstler. Bei Bellini, Breug(h)el und Cranach wird allgemein auf die Malerfamilie verwiesen. Achtzehn Künstler sind in den Duden neu aufgenommen.

Viele der Genannten haben ihr Schaffen auch religiösen Themen gewidmet. Allgemein kennt man sicherlich ‚Die Apokalyptischen Reiter’ von Dürer, den ‚Isenheimer Altar’ von Grünewald, das ‚Abendmahl’ von Leonardo oder das ‚Weltgericht’ von Michelangelo. Aber auch bei anderen Künstlern mag man sich zumindest an ein (unsterbliches) Werk erinnern: ‚Das Wiedersehen’ von Barlach, die ‚Kreuzigung Petri’ von Caravaggio oder ‚Das Paradies’ von Lukas Cranach d.Ä. Besonders beliebt sind Mariendarstellungen wie ‚Maria Immaculata’ von van Dyck, ‚Darstellung Mariä im Tempel’ von Giotto, ‚Marienaltar’ von Riemenschneider oder ‚Madonna im Rosenhag’ von Schongauer.

Mit der Nennung dieser Namen trägt der Duden bei zur bleibenden Präsenz sakraler Kunst in der Gegenwart.

 

51  Hören

„Der Glaube kommt vom Hören.“ Auf diese Kurzformel bringt man gern eine Passage aus dem Römerbrief (10,17). Was da zu hören ist, wird unterschiedlich übersetzt: „Rede – Botschaft – Kundgabe – Predigt“. Ein wichtiger Ort dieses Hörens ist die Liturgie: Einer liest (vor) und alle hören (zu) – nicht umgekehrt! Das Wort Gottes sucht sich das sensibelste und am frühesten entwickelte Sinnesorgan aus, um tief in den Menschen einzudringen und in ihm etwas zu bewirken.

Der Duden 1 bietet rund um das Gehör ein reiches Vokabular. Leicht lässt sich eine Liste mit über 150 Wörtern zusammenstellen, die die Silben „hör“ oder „Ohr“ enthalten. Dass Hören ein vielseitiger, aktiver Umgang mit Schallwellen ist, zeigen allein sechzehn Verben mit ihren Vorsilben: „abhören“, „an-“, „ein-“, „er-“, „heraus-“, „her-“, „hinein-“, „hin-“, „mit-“, „satt-“, „über-“, „um-“, „ver-“, „weg-“, „wieder-“, „zuhören“. Das gezielte Zugehen auf Töne und Klänge drücken noch besser die Verben „horchen“ oder „lauschen“ aus. Rund um die Uhr offen, ist das Ohr auch verletzlich und kann mit „Ohrensausen“, „Hörsturz“ oder „Tinnitus“ seinen Dienst versagen. Zu hohem „Geräuschpegel“ folgt bald „Schwerhörigkeit“. 

Die meisten Menschen halten das Auge für wichtiger als das Ohr. Doch der liebende Blick kann auch zu einen stechenden werden. Der Gehörsinn dagegen ist nie aggressiv; denn ein „Lauschangriff“ stammt immer von einem künstlichen „Abhörgerät“. Hören führt Menschen sogar in eine Dimension jenseits von Raum und Zeit, ins Wunder der Existenz, ins Mysterium.

 

52  Wallfahrt

Durch den Bestseller „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling hat nicht nur Santiago de Compostela als alter Wallfahrtsort an Attraktivität gewonnen, sondern auch das Wallfahren überhaupt eine neue Faszination ausgelöst. Dass solche Orte den Menschen heilig sind, verrät gelegentlich sogar ein Fußballreporter: „Wenn die Bayern gegen Barcelona nur 1:1 spielen, müssten sie morgen schon nach Altötting aufbrechen und drei Kerzen anzünden.“

Bereits Herders Volkslexikon (9. Auflage 1970) zählte allein in Deutschland rund 350 Wallfahrtsorte, 162 davon in Bayern. Der Duden 1, der die zahlreichen Ortsnamen in der neuen Auflage noch vermehrt hat, weist nur wenige europäische Orte ausdrücklich als Wallfahrtsziel aus: Einsiedeln, Loreto, Lourdes, Mariazell, Vierzehnheiligen, Wies(kirche). Andere Orte, die speziell als Wallfahrtsstädte bekannt sind, werden zwar genannt, aber ohne diesen Hinweis: Assisi, Bari, Ellwangen, Kevelaer, Monte Cassino, Mont-Saint-Michel, Montserrat, Padua, Santiago de Compostela, Siena, Xanten. Dies gilt auch für die großen Pilgerstädte des Islam: Mekka und Medina, sowie des Hinduismus: Varanasi (Benares). Wieder andere Orte, die im Kirchenvolk sehr beliebt sind, fehlen im Duden: Altötting, Andechs, Telgte, Werl, Sachseln, Fatima, Medjugorie, Tschenstochau und Guadalupe in Mexiko.

Dass viele Fußballfans regelmäßig zu ihrem Tempel der Glückseligkeit (Stadion) pilgern, zeigt deutlich: Homo sapiens ist ein „Pilger(in)“ und Homo religiosus „wallfahrtet“ zur ihm gemäßen „Pilgerstätte“.

 

53  Mission

 „Wir haben eine Mission!“ In diesem Sinne klingt „Mission“ durchaus positiv und gilt als werbewirksam. Gegenüber dem „Missionar“ jedoch ist man zurückhaltender. Da tauchen Bilder von Personen auf, die mit glühender Glaubensüberzeugung andere Menschen bekehren wollen. „Missionarischer“ Eifer kann auch etwas Fanatisches an sich haben.

Der Duden 1 hält sich mit Wörtern, die mit „-mission-“ beginnen oder enden, eher zurück. Die eine Gruppe erschöpft sich mit der religiös motivierten „Bahnhofs-“, „Stadt-“ und „Zeltmission“. Hinzu kommt die politische „Militärmission“ und – neu im Duden – die „Friedensmission“, an der etwa im Nahen Osten schon so mancher Vermittler gescheitert ist.

Zur zweiten Gruppe gehören religiös geprägte Begriffe wie „Missionsstation“, „-wissenschaft“ und „-zelt“ sowie der/die „Missionsschef(in)“ als Leiter einer diplomatischen Vertretung. Weitere im religiösen Kontext gebräuchliche Ausdrücke wie „Missionsgesellschaft“, „-haus“, „-schule“ und „-schwester“ lässt der Duden aus.

Aufgrund der belasteten Vergangenheit und einer gegenwärtigen Mentalität, die Toleranz gegenüber Andersgläubigen großschreibt, haben sich Kongregationen wie die „Picpusmissionare“ oder „Steyler“ Missionare auf „Dialog“ und „Akkulturation“ konzentriert und denken nicht mehr in geografischen Kategorien von Missionsgebieten. (Die Fachbegriffe ‚Inkulturation’ und ‚Kontextualisierung’ stehen nicht im Duden.) Im Sinne des Evangeliums und im Geiste Jesu besteht eine bleibende missionarische Aufgabe in der „(Entwicklungs)hilfe“ für Bedürftige.

 

54  Namen

Wenn ein Kind geboren wird, geben ihm die Eltern einen Namen – aus unterschiedlichen Motiven. Die einen wählen den Namen, der für sie schön klingt; die anderen wollen einen Namen aus der Verwandtschaft weiter tradieren; wieder andere folgen dem Grundsatz „nomen est omen“ (der Name deutet auf etwas hin – z. B. Eckhard = Schwert-Starker); oder Eltern wollen ihr Kind unter den Schutz eines bestimmten Patrons stellen.

Wenn man keinen passenden Namen findet, so kann man zu einem der Lexika greifen, die Tausende von Namen enthalten, teilweise auch mit Nebenformen sowie Erläuterung zu Herkunft und Bedeutung. Auch der Duden 1 enthält eine Fülle von Namen. Außer rund 1.270 Vornamen (zwanzig neu im Duden) gibt es weitere 90 Namen (davon dreizehn weiblich) mit dem Hinweis, dass es sich um biblische oder sonstige Eigennamen handelt.

Von den bisher 80 verschiedenen Papstnamen enthält der Duden ganze sechs, bei denen auf diesen Bezug hingewiesen wird: Benedikt, Hadrian, Kalixt(us), Paschalis, Silvester und Sixtus.

Vor der Erwachsenentaufe wird empfohlen, einen christlichen Namen anzunehmen, sofern man noch keinen hat. Dazu heißt es in der pastoralen Einführung des Taufrituales: „Die Annahme eines neuen Namens bzw. die Nennung des von den Eltern gegebenen Namens verdeutlicht die Beziehung zum Namenspatron und macht auf die Gemeinschaft der Heiligen aufmerksam, die die Getauften auf Erden und die bereits bei Christus Vollendeten umfasst.“

 

55  Musik

Die „Matthäuspassion“ von Johann Sebastian Bach gilt vielen als Inbegriff von Kirchenmusik. Das mag die Redaktion des Duden 1 veranlasst haben zu erklären: „Vertonung der Leidensgeschichte Christi nach Matthäus“. Die „Johannespassion“ steht jedoch allein da; von Passionen nach Markus und Lukas ist nichts zu lesen. Eine kompositorische Herausforderung stellt seit dem 15. Jahrhundert – über konfessionelle Grenzen hinweg – das Messordinarium dar. So komponierten nicht nur Mozart und Beethoven, sondern auch Bach eine „Missa solemnis“. Die Ordinariumsteile sind im Duden je einen Eintrag mit Erläuterung wert: „Kyrie eleison“, „Gloria“, „Credo“, „Sanctus“, „Agnus Dei“.

Das Wörterbuch verweist auf noch weitere liturgische Texte, die oft vertont worden sind und hohe Wertschätzung erfahren haben, so etwa das „Tedeum“ (Hymnus der lateinischen Liturgie; musikalisches Werk über diesen Hymnus); „Stabat Mater“ („die Mutter Jesu stand am Kreuze“ – vertonte mittelalterliche Sequenz); „Dies Irae“ („Tag des Zornes“ – Anfang eines Hymnus auf das Weltgericht; Teil des Requiems).

Starke Impulse für die populäre Kirchenmusik in Europa kamen vom „Spiritual“ (geistliches Lied der Afroamerikaner im Süden der USA) und „Gospel (song)“ (religiöses Lied der Afroamerikaner). „Gospelgottesdienst“ ist sogar ein neues Wort im Duden. Allerdings sucht man darin vergeblich nach Ausdrücken für die kirchliche „Populärmusik“, wie etwa ‚Jazzmesse’, ‚Neues Geistliches Lied’, ‚Gospelrock’ oder ‚Sacropop’.

 

56  Komponisten

Die „Phantastischen Vier“ nennt ein Festival Alte Musik 2009 die Jubilare des Jahres: Händel, Haydn, Mendelssohn und Purcell. Die ersten drei befinden sich auch im Duden 1, nicht aber der „Orpheus Britannicus“ Henry Purcell. 103 Namen von Komponisten enthält das Wörterbuch, im zeitlichen Rahmen vom 16. Jahrhundert (Palestrina) bis zur Gegenwart (Penderecki). Das ist zwar beachtlich, doch wird man einige große Meister auch vermissen wie Buxtehude, Charpentier oder Schütz. Nur 28-mal ist auch der Vorname beigefügt; in Klammern steht bei allen die Nationalität. Bei Scarlatti und Strauß heißt es: Name mehrerer Komponisten. – Neu im Duden sind [Alexandr] Glasunow, Jean-Baptist Lully, Witold Lutoslawsky und Jean-Philippe Rameau.

Bei vielen der genannten Tonmeister spielt auch die geistliche Musik eine große Rolle. Auf Anhieb würde man mit dem Namen gleich ein großes Werk verbinden: das „Deutsche Requiem“ von Brahms“, das „Tedeum“ von Bruckner, der „Messias“ von Händel, die „Schöpfung“ von Haydn, der „Elias“ von Mendelssohn Bartholdy, die „Missa Papae Marcelli“ von Palestrina, die „Deutsche Messe“ von Schubert, die „Psalmensymphonie“ von Strawinsky, das „Requiem“ von Verdi. Weniger allgemein bekannt, doch nicht minder bedeutsam sind etwa das „War Requiem“ von Britten, ein „Requiem“ jeweils von Berlioz, Fauré und Ligeti, die „Lukaspassion“ von Penderecki, die Choralfantasien von Reger, „Die Geburt des Herrn“ von Messiaen.

Mit der Nennung solcher Namen trägt der Duden zur bleibenden Präsenz großer Kirchenmusik bei.

 

57  Kirchenorgel

Die Orgel gilt als Königin der Instrumente, aufgrund von Klangspektrum, -fülle und -volumen sowie des imposanten Äußeren. Als sie vor rund tausend Jahren in die Kirchen Eingang fand, wurde sie zur ‚Klangmaschine im Dienst des Heiligen’.

„Eine klangschöne Orgel“ nennt der Duden 1 als Beispiel für das Adjektiv „klangschön“. Das Wörterbuch würdigt überdies das Instrument mit rund vierzig Begriffen. Mit „Orgel-“ beginnen die Begriffe „Orgelbauer(in)“, „-konzert“, „-musik“, „-pfeife“, „-punkt“, „-register“, „-spiel“ und als Neuwort „Orgelwerk“. Neben Registern wie „Diapason“, „Prästant“, „Prinzipal“, „Regal“, „Schwegel“, „Sifflöte“, „Sordun“, „Mixtur“ und „Zimbel“ werden auch Kleinorgeln genannt wie „(Bibel)regal“ (Orgel mit Zungenpfeifen), „Portativ“ (Zimmerorgel) und „Positiv“ (Standorgel), ferner Fachbegriffe wie „gedackt“, „Labialpfeife“, „Manual“, „Spieltisch“, „Schnarrwerk“, „Schweller“ und „Kalkant“. Orgelähnliche Instrumente wie die „Hammondorgel“ oder „Elektronenorgel“ wurden bereits in den 1930er Jahren gebaut. Doch trotz „Digitaltechnik“ wirken für viele die Orgeltöne aus Lautsprechern künstlich, die durch Luft erzeugten Klänge jedoch natürlich. Außerdem ist jede Pfeifenorgel ein Unikat und wird durch Intonation und Aufstellung dem Raum angepasst.

So versteht man auch die „organo-pleno“-Lobrede auf die Pfeifenorgel durch das Zweite Vatikanum: Sie „soll in der lateinischen Kirche als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben.“

 

58  Göttinnen und Götter

Der Advent lässt uns an vorchristliche Zeiten denken, ja auch an vorjüdische. Wie kommunizierten Menschen mit höheren Wesen, bevor sich der eine Gott ein besonderes Volk erwählte? Welchen Namen haben sie den Gestalten der Götterwelt gegeben und was erwarteten sie von ihnen?

Das bleibende Interesse an alten Opern von Monteverdi bis Mozart mit Themen aus antiken Mythen hält die Gottheiten bis heute in Erinnerung. Ferner kommen Götter im übertragenen Sinn zur Sprache: So ist die „Grazie“ nicht nur die römische Göttin der Anmut, sondern heute auch eine anmutige Frau. Eine wütende Frau dagegen nennt man eine „Furie“ (römische Rachegöttin). „Penaten“ (römische Hausgötter) sagt man übertragen für häuslicher Herd, Wohnung, Heim. Außerdem kommen die Götter ständig in Quizsendungen und Kreuzworträtseln vor.

Da überrascht es kaum, dass der Duden 1 rund 130 solcher Namen nennt. Neben der bekannten Götterwelt der alten Griechen und Römer sowie semitischen und ägyptischen Göttern sind auch die Gestalten germanisch-nordischer Mythologie stark vertreten. Aus Indien werden sechs Götternamen genannt. Gewiss werden die übernatürlichen Akteure, die Rituale und Opfer verlangten, von den Menschen also ernst genommen wurden, heute oft verharmlost; man hat sie schließlich als frei erfunden entlarvt. Doch die Tatsache, dass alle acht Seiten im Duden ein Göttername auftaucht, zeigt einmal mehr: Der Mensch ist unausrottbar religiös.

 

59  Theologie

„Theologie“ lässt sich kurz als „systematische Auslegung und Erforschung einer Religion“ definieren – so der Duden 1. Dass dieser Wissenschaft an einer Universität eine eigene Fakultät zusteht, wird von manchen bestritten. Dem könnte der Duden beipflichten, indem er die einzelnen Fächer totschweigt. Das Gegenteil ist der Fall!

Fast alle Teilbereiche der vier klassischen Fächergruppen sind zu finden. 1. historisch: „Kirchengeschichte“, „Religionsgeschichte“; 2. biblisch: „Exegese“, („Exegetik“, „Bibelforschung“); 3. praktisch: „Homiletik“, „Katechetik“, „Kirchenrecht“ („kanonisches Recht“), „Liturgik“, „Missionswissenschaft“, „Pastoraltheologie“; 4. systematisch: „Apologetik“ als Vorläufer der Fundamentaltheologie, „Dogmatik“, „Moraltheologie“, „Religionsphilosophie“, „Sozialethik“ als allgemeiner Ausdruck für christliche Sozialwissenschaft.

Für die Dogmatik werden sogar einzelne Traktate benannt wie „Christologie“, „Dämonologie“, „Dogmengeschichte“, „Ekklesiologie“, „Eschatologie“, „Soteriologie“ und „Mariologie“ (kath.-theol. Lehre von der Gottesmutter). Unter Moraltheologie ließe sich als neuere Richtung die „Bioethik“ nennen.

Zwei theologische Ansätze werden genauer erläutert: die „dialektische Theologie“ (eine Richtung der evangelischen Theologie nach dem 1. Weltkrieg) und die „Befreiungstheologie“ (Theologie, die die spezifische Situation der Dritten Welt berücksichtigt und das verkündete Heil auch als diesseitige Erlösung und Befreiung versteht).

Nicht zu vergessen den „Dipl. Theol.“ und „Dr. Theol.“!

 

60  Farben

Die Diskussion um den Ersatz der alten Glühbirne durch die Energiesparlampe hat gezeigt: Auch scheinbar weißes Licht empfindet man unterschiedlich: Es kann eine warme oder kühle Atmosphäre herstellen; denn weißes Licht setzt sich aus den Spektralfarben von infrarot bis ultraviolett zusammen, die verschieden stark ausgeprägt sein können.

Schon von daher spielen Farben auch für die Liturgie eine Rolle. Sie hat in unserem Kulturkreis aus der Fülle von Farbschattierungen einen Farbkanon entwickelt, der mit vier Grundfarben auskommt: weiß für Feste, rot für Märtyrer, grün für die Zeit im Jahreskreis und violett als Ausdruck von Buße. Am dritten Adventssonntag und vierten Fastensonntag kann freudiges Rosa das Violett ersetzen. Für Trauerfeiern ist auch Schwarz möglich. Auf dieser Basis mag die Paramentenkunst mit allen möglichen Farbabstufungen die Stoffe verzieren.

Der Duden 1 könnte hier Anregungen geben; denn mit rund 325 Adjektiven, die eine Farbe ausdrücken, von „altrosa“ bis „zitronengelb“, bietet er ein reiches Spektrum. Davon enden 65 mit „-farben“ oder „-farbig“. Neu im Duden sind zehn Farbausdrücke. Die Bekleidungsindustrie kennt freilich noch einige Bezeichnungen mehr. Auf der Silbe „-gelb“ (z. B. „blassgelb“) enden 25 Wörter, auf „-blau“ („azurblau“) ebenso 25, auf „grün“ („chromgrün“) 31, auf „-rot“ („amarantrot“) 46. Hinzu kommen weitere Standardfarben wie „weiß“, „schwarz“, „grau“, „braun“ oder „orange“ sowie moderne Farben wie „magenta“, „metallic“ oder „petrol“. Nicht zu vergessen: „bischofslila“!

 

61  Düfte

„... und das roch immer so wahnsinnig nach Weihnachten“, so schildert der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch humoristisch-besinnlich das Backen von „Weihnachtsplätzchen“. Bestimmte Zeiten sind erkennbar durch besondere Düfte. Zu allen Zeiten kann man sich auch der „Duftkerzen“ oder „Räucherstäbchen“ bedienen, um eine besondere Atmosphäre herzustellen.

Die Kirche verwendet „Weihrauch“, den der Duden 1 mit „duftendes Harz“ erklärt. Die aufsteigende Wolke soll den Weg des Gebets zu Gott augenfällig machen (Ps 141,2). Mit Weihrauch geehrt werden Personen und sakrale Gegenstände, indem der Altardiener mit dem „Rauchfass“ (ein kultisches Gerät) in stilvoller Weise „(be)weihräuchert“. Überhaupt soll „Wohlgeruch“ die heilige Handlung begleiten, um die Mitfeiernden zu erfrischen und das Heil bringende des Ritus unmittelbar spüren zu lassen. Duftstoffe gelangen nämlich sehr direkt tief ins Gehirn, wo sie emotionale Gestimmtheit beeinflussen.

Weil die Christen wie Wohlgeruch Christi unter den Menschen sind (2 Kor 1,15), werden dem „Salböl“ (kath. Kirche) „Chrisam“, das bei Taufe und Firmung verwendet wird, Balsam oder andere aromatische Stoffe beigemischt. Längst benutzen Therapiemethoden „Aromen“, um heilsame Wirkungen zu erzielen, vom alten Hausmittel des Dampfbades mit „Kamillenöl“ bis zu erlesenen Duftstoffen in der alternativen Medizin.

Ein guter Seelsorger ist ein ‚Charismenschnüffler’; denn er muss nicht alles selber machen, sondern hat ein gutes Näschen für begabte Menschen, um sie für bestimmte Aufgaben zu gewinnen.

 

62  Feste nach Weihnachten

Die dem Weihnachtsfest folgenden (Fest)tage beruhen mehr auf Ideen als auf historischen Fakten. Stephanus (26.12.), Johannes (27.12.) und die Unschuldigen Kinder (28.12.) repräsentieren Typen eines Erstzeugen des Christusgeschehens: Stephanus ist erster bewusster Blutzeuge; der Evangelist Johannes erster Zeuge in der Heiligen Schrift; die Unschuldigen Kinder die ersten unbewussten Blutzeugen.

„Stephanus“ wurde wohl Opfer einer Lynchjustiz. Der Name des Verfassers des vierten Evangeliums ist nicht bekannt. Ein Massenmord von Herodes dem Großen an Kleinkindern ist unwahrscheinlich.

Der Duden 1 nennt den „Stephanitag“ („Stephanstag“) ohne Datum. Bei „Unschuldige Kinder“ heißt es nur: „katholisches Fest“. Ein „Johannistag“ gilt dem Täufer am 24.6. 

Am Sonntag nach Weihnachten soll die „Heilige Familie“ gefeiert werden, deren Vorbildfunktion jedoch fragwürdig ist; denn Jesus wurde von seiner Familie zu seinen Lebzeiten abgelehnt (Mk, 3.21).

Die Festinhalte am 1.1. haben im Laufe der Geschichte gewechselt, woran auch der Duden erinnert: „Namen-Jesu-Fest“, „Beschneidung Jesu“. Der römische Generalkalender hat jedoch nach einer alten Marienfest-Tradition diesen Tag zum Hochfest der Gottesmutter gemacht. Dem Namen Jesu ist jetzt ein Gedenken am 3.1. gewidmet. Dass Jesus Jude war, wird mit dem Wegfall der „Beschneidung“ verschwiegen. Zudem hat Paul VI. den 1. Januar zum Weltfriedenstag erklärt. Weltweit wird er aber eher als „Neujahrs(tag)“ wahrgenommen.

 

 

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